Für’s Leben, nicht für die Katz‘ – den Mathematikunterricht nach Konsens der Fachleute gestalten

Der Landesvorstand hat beschlossen:

Die Mathematik-Kommission Übergang Schule-Hochschule, die Deutsche Mathematiker-Vereinigung (DMV), die Gesellschaft für Didaktik der Mathematik (GDM) und der Verband zur Förderung des MINT-Unterrichts (MNU) haben 2019 einen Maßnahmenkatalog "19 Maßnahmen für einen konstruktiven Übergang Schule – Hochschule" erstellt und veröffentlicht. Dieser Katalog zielt auf das Problem ab, dass viele Studienanfängerinnen und Studienanfänger von MINT- und Wirtschaftsfächern aus der Schule nur noch unzureichende Mathematikkenntnisse mitbringen.

Der Landesvorstand der FDP Niedersachsen unterstützt die vorgeschlagenen Lösungen und schließt sich daher den Forderungen des Maßnahmenkatalogs in vollem Umfang an. Wir empfehlen dem Landesparteitag, der Landtagsfraktion sowie Bundesparteitag und Bundestagsfraktion, sich diese Lösungen ebenfalls zu eigen zu machen:

Mathematik: 19 Maßnahmen für einen konstruktiven Übergang Schule – Hochschule

Im Wintersemester 2017/18 gab es rund 2,8 Mio. Studentinnen und Studenten an Universitäten und Hochschulen, davon rund 47 % in Studienfächern der Wirtschafts-, Ingenieur- und Naturwissenschaften, der Mathematik und der Informatik, die mathematisches Wissen und Können verlangen und deshalb prüfungsrelevante Anteile in Mathematik beinhalten. Das mathematische Wissen und Können der Studienanfängerinnen und -anfänger jedoch ist divers und oftmals unzureichend. Die Ursachen sind vielfältig und dabei nicht allein begründet durch Unterschiede in Schulart, nach Bundesland oder im Umfang des erlebten Mathematikunterrichts. Deshalb gelingt der Übergang von der Schule zur Hochschule allzu oft nicht oder fällt schwer.

Es bedarf einer gemeinsamen Anstrengung von Politik in Bund und Ländern, von Schule, Hochschule und Wissenschaft, um Bedingungen für einen konstruktiven Übergang von der Schule zur Hochschule zu schaffen. Die Deutsche Mathematiker-Vereinigung (DMV), die Gesellschaft für Didaktik der Mathematik (GDM) und der Verband zur Förderung des MINT-Unterrichts (MNU) empfehlen die Umsetzung der nachstehenden Maßnahmen, die von der gemeinsamen Mathematik-Kommission Übergang Schule–Hochschule erarbeitet wurden.

I. Nachhaltiger Mathematikunterricht

1. Alle Schülerinnen und Schüler erhalten durchgehend mindestens vier Wochenstunden Mathematikunterricht von professionell aus- und fortgebildeten Mathematiklehrkräften.

2. Alle Lehrkräfte qualifizieren sich regelmäßig und systematisch zu fachlichen und fachdidaktischen Inhalten weiter. Entsprechende Angebote werden geschaffen, genügen dabei grundlegenden Standards (z. B. den Gestaltungsprinzipien effektiver Fortbildungen des Deutschen Zentrums für Lehrerbildung Mathematik DZLM) und beinhalten unter anderem praktische Erprobungsphasen mit anschließender Reflexion.

3. Als verbindlicher Teil der Prüfungen zur (Fach-) Hochschulreife absolvieren alle Schülerinnen und Schüler deutschlandweit zeitgleich eine zentrale Mathematikprüfung. Diese Teilprüfung ist hilfsmittelfrei und bezieht sich auch auf das Wissen und Können der Sekundarstufe I. Sie ersetzt nicht die Abiturprüfung Mathematik, die weiterhin länderspezifisch mit Hilfsmitteln durchgeführt wird.

4. In Zusammenarbeit mit regionalen Hochschulen und Universitäten werden – gerne in Kooperation mit Nachbarschulen – Angebote initiiert, durch die Schülerinnen und Schüler der Oberstufe interessengeleitet an spätere Studienoptionen (insbesondere im MINTBereich) herangeführt werden.

II. Konkretisierung der Bildungsstandards

5. Die Bildungsstandards werden bezüglich der inhaltlichen Anforderungen konkretisiert. Hierbei spielen Beispielaufgaben eine wesentliche Rolle.

6. Die Bildungsstandards werden bezüglich Lerngelegenheiten zum grundlegenden Argumentieren und zu Begründungs- bzw. Beweisstrategien an exemplarischen Inhalten konkretisiert. Hierzu eignen sich zum Beispiel Inhalte der elementaren Zahlentheorie (Teilbarkeit natürlicher Zahlen).

7. Die Bildungsstandards werden vollumfänglich und verbindlich als Ländercurricula umgesetzt.

8. Bei der Entwicklung und Konkretisierung der Bildungsstandards und bei deren Umsetzung als Ländercurricula werden die Fachgesellschaften wie Deutsche Mathematiker-Vereinigung (DMV), Gesellschaft für Didaktik der Mathematik (GDM) und der Verband zur Förderung des MINT-Unterrichts (MNU) in deutlich stärkerem Maße als bisher beteiligt und einschlägige Forschungsergebnisse (z. B. die MaLeMINT-Studie des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik) berücksichtigt.

III. Gestaltung des Übergangs Schule – Hochschule

9. Mit Blick auf das tatsächliche Wissen und Können der Studienanfängerinnen und –anfänger werden studienrichtungsspezifische Vor- und Brückenkurse sowie semesterbegleitende Unterstützungsmaßnahmen eingeführt, um den Übergang von der Schule zur Hochschule zu erleichtern.

10. Mit Blick auf das tatsächliche Wissen und Können der Studienanfängerinnen und –anfänger werden flexible Studieneingangsphasen („Studieren in verschiedenen Geschwindigkeiten“) eingeführt.

11. Maßnahmen zur besseren Gestaltung des Übergangs führen nicht zu Nachteilen beim Bezug von BAföG.

12. Die mathematikspezifische und allgemeine Forschung zum Übergang von Schule zu Hochschule wird ausgebaut und intensiviert.

IV. Mathematikausbildung im Studium

13. Schule und Hochschule stimmen sich genau und verbindlich über das mathematische Wissen und Können der Studienanfängerinnen und -anfänger ab. An den Universitäten und Hochschulen werden die Curricula entsprechend dieser Abstimmung und unter Berücksichtigung der mathematischen Anforderungen der einzelnen Studienfächer sowie der beruflichen und gesellschaftlichen Anforderungen weiterentwickelt.

14. In der Lehre wird berücksichtigt, dass es in Schule und Hochschule Unterschiede in den Traditionen der Arbeitsformen und Aneignungsprozesse gibt.

15. Alle Hochschullehrenden qualifizieren sich regelmäßig und systematisch zu fach- und hochschuldidaktischen Inhalten weiter. Fort- und Weiterbildungen werden geschaffen, genügen wissenschaftlichen Erkenntnissen und beinhalten unter anderem praktische Erprobungsphasen mit anschließender Reflexion.

V. Rahmenbedingungen

16. Die Entwicklung von Maßnahmen jeder Art berücksichtigt einschlägige Forschungsergebnisse und die Durchführung wird durch mathematikdidaktische Forschung begleitet und evaluiert.

17. Damit die hier vorgestellten Maßnahmen umgesetzt werden können, bedarf es einer neuen Kultur des Austauschs, die alle Beteiligten aktiv in die Pflicht nimmt: Es braucht einen ständigen Austausch zwischen Lehrkräften an Schulen sowie an Universitäten und Hochschulen, um gegenseitiges Verständnis zu fördern. Die Lehrkräfte an den Universitäten und Hochschulen müssen die Rahmenbedingungen des Mathematik-Unterrichts an der Schule kennen. Die Lehrkräfte an den Schulen müssen in die Lage versetzt werden, die Rahmenbedingungen des Studiums an Universitäten und Hochschulen insbesondere im Fach Mathematik für nichtmathematische Studiengänge zu kennen. Dieser Austausch kann in Kommunikationszirkeln an den Universitäten und Hochschulen realisiert werden.

18. Eine zentrale Rolle für eine erfolgreiche Überwindung der Übergangsproblematik spielen die Lehrerinnen und Lehrer. Dementsprechend muss die Ausbildung angehender Mathematiklehrkräfte an den Universitäten und Hochschulen an die aktuellen Rahmenbedingungen angepasst werden. Die Ausbildung berücksichtigt in allen Studiengängen die Erfordernisse der späteren beruflichen Praxis, insbesondere auch in der fachwissenschaftlichen Ausbildung (vgl. hierzu auch die Forderungen der Gemeinsamen Kommission Lehrerbildung der GDM, DMV und MNU).

19. Die Finanzierung zusätzlicher Angebote an den Schulen, an den Universitäten und Hochschulen, der Fort- und Weiterbildung und der Begleitforschung ist durch Bund und Länder sicherzustellen. Es bedarf einer bundesweiten Anstrengung, mehr und geeignete Menschen für ein Lehramtsstudium im Bereich MINT zu gewinnen.