Jan-Christoph Oetjen: Der tägliche parlamentarische Dschungel der EU

Jan-Christoph Oetjen MdEP

Was ist der Unterschied zwischen Bericht und Stellungnahme? Was verbirgt sich hinter den Schattenberichterstattern? Auf den ersten Blick scheint die EU bürokratisch und undurchsichtig. Damit räume ich ein wenig auf!

Obwohl ich in meiner Arbeit im niedersächsischen Landtag viel Erfahrung sammeln konnte, wurde ich in Brüssel in einen parlamentarischen Dschungel geworfen, mit unendlich vielen kleinteiligen Prozessen, die man erst einmal neu lernen muss. Was ist der Unterschied zwischen Bericht und Stellungnahme? Was verbirgt sich hinter den Schattenberichterstattern und was passiert in Trilog-Verhandlungen?

Schon einmal vorweg: Die Arbeit in Brüssel ist anders. Es gibt keine ‚Regierung‘ und innerhalb des Parlaments muss für jeden Bericht eine neue politische Mehrheit gefunden werden. Das macht die Arbeit einerseits unglaublich spannend und abwechslungsreich, aber auch kompliziert. Ich möchte meine Arbeitsprozesse einmal teilen und einen Einblick in das Gesetzgebungsverfahren der EU geben.

Das Legislativrecht liegt auf europäische Ebene hauptsächlich bei der Kommission. Stellt diese einen Gesetzestext vor, wird er in der Regel dem zuständigen Ausschuss im Parlament vorgelegt. Der Ausschuss ist federführend dafür zuständig, erste Veränderungen daran vorzunehmen. Dazu wird ein Berichterstatter einer der politischen Fraktionen eingesetzt. Damit alle Fraktionen politischen Einfluss nehmen können und der Bericht nicht einseitig wird, ernennt jede politische Fraktion einen zusätzlichen eigenen Berichterstatter, den sogenannten Schattenberichterstatter. Gemeinsam werden Änderungen in den Bericht eingefügt.

Auch andere Ausschüsse können mit sogenannten Stellungnahmen zu dem Bericht beitragen. Diese tragen ihre eigene fachliche Sicht zu dem Gesetzestext bei. Gerade in meiner Arbeit im Verkehrsausschuss ist es nicht unüblich, dass zu einem Bericht eine Stellungnahme aus dem Umweltausschuss kommt oder umgekehrt. Auch die Stellungnahmen haben einen federführenden Berichterstatter und jeweils Schattenberichterstatter der Fraktionen.

Gemeinsam wird nun versucht, den Bericht so anzupassen, dass er mit einer politischen Mehrheit zur Abstimmung in das Plenum gehen kann. Das kann allerdings einige Monate dauern, je nach Umfang und Kontroversität des Berichtes. Wenn keine Mehrheit gefunden wird, kann der Bericht noch einmal in die Ausschüsse zurückgehen.

Hat das Plenum den Bericht am Ende angenommen, nimmt der ursprüngliche Berichterstatter die Position des Parlamentes mit in die Trilog-Verhandlungen mit dem Rat der EU und der Europäischen Kommission. Wird dann eine Einigung gefunden, ist der Gesetzestext endlich angenommen.