Anikó Merten: Moldau
Der Krieg in der Ukraine und die durch ihn ausgelöste Fluchtwelle rücken die Nachbarrepublik Moldau in den Blick der westlichen Öffentlichkeit. Hat man in den vergangenen Tagen die Nachrichten verfolgt oder Soziale Netzwerke wie Twitter geöffnet, schlugen einem die entsetzlichen Bilder der Gewalttaten der russischen Armee in den Vororten Kyivs wie Butcha entgegen. Einige verurteilten sofort die systematischen Gräueltaten der russischen Soldaten, andere ließen sie schockiert zurück.
Mit den Nachrichten des vergangenen Wochenendes verstummen nun hoffentlich die letzten Stimmen, die die Ukraine auffordern, sich zu ergeben, um zivile Opfer zu schützen. Denn wie die russische Armee sich in diesem Fall weiter an der ukrainischen Bevölkerung, die sich noch im Land befindet, vergehen würde und bereits vergangen hat, haben wir gewaltvoll vor Augen geführt bekommen.
Die Ukraine und ihre Bevölkerung brauchen unsere Hilfe, vor Ort durch Waffenlieferungen, sowie für die Menschen auf der Flucht. Laut UNCHR haben seit dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar rund 400.000 Kriegsgeflüchtete die Grenze nach Moldau überschritten. «Die Armen helfen den Verzweifelten», schreibt treffend der britische «Guardian». Tatsächlich ist die Republik Moldau das ärmste Land Europas. Der Krieg in der Nachbarschaft ist jetzt zudem eine reale Bedrohung für das kleine Land mit seinen 2,6 Millionen Einwohnern geworden. Ungeachtet der eigenen ökonomischen Situation hat das Land den Hunderttausenden Menschen eine erste Zuflucht ermöglicht und sich um ihre Erstversorgung gekümmert. Ein Land, das selbst seit dem Ende des Kalten Krieges dafür kämpft, seine Souveränität gegenüber Russland zu verteidigen. Auch die politische Destabilisierung Moldaus folgt dabei dem nur zu bekannten Muster: Russisches Militär und Paramilitär unterstützten bereits seit Anfang der 1990er pro-russische Separationsbewegungen in der Region Transistrien, welche direkt im Grenzgebiet zur Ukraine liegt.
Moldau hat bereits Anfang März den Antrag auf die Mitgliedschaft zur Europäischen Union gestellt. Nicht ohne Grund. Seit Wochen hört man die Sorge, dass sollte die ukrainische Hafenstadt Odessa fallen, sich der russische Einflussbereich über die territorialen Grenzen Moldaus hinweg ausdehnen könnte.
Für die ukrainischen Geflüchteten in Moldau fehlt es aktuell an allem. Es gibt zu wenig Unterbringungsmöglichkeiten, keinen Wohnraum, sogar Medikamente und Nahrungsmittel sind knapp. Es fehlt eine intakte Infrastruktur, die die Versorgung der Menschen ermöglicht. Eine Luftbrücke, wie sie nun zwischen Moldau und Deutschland besteht, ist ein erster guter Schritt. Die internationale Geberkonferenz zugunsten Moldaus am vergangenen Dienstag hier in Berlin zeigt, dass wir dringend benötigten Ressourcen wie die 71 Millionen Euro humanitäre Hilfe, 695 Millionen Euro finanzielle Hilfen, Unterstützung bei der Stromerzeugung, Verteilungsflüge und vieles mehr zur Verfügung stellen können. Denn nur stabile Demokratien mit Zugang zu Ressourcen können ihre Souveränität nach außen und nach innen verteidigen. Der ungebrochene ukrainische Kampfgeist ist dafür derzeit das beste Beispiel.
Die Menschen in der Ukraine sind nicht allein. Die Menschen in Moldau sind nicht allein. Die außenpolitischen Initiativen Deutschlands, Frankreichs und Rumäniens haben das deutlich gezeigt, doch noch sind wir längst nicht am Ziel angekommen.
Ich bin dankbar, dass ich zu dem Thema im Bundestag sprechen durfte, um unserer Solidarität mit der Ukraine und mit Moldau Nachdruck zu verleihen.