Antisemitismus in Niedersachsen entgegentreten - jüdisches Leben schützen

Anlässlich der Landesvertreterversammlung der FDP Niedersachsen zur Europawahl hat der Landesvorstand folgenden Antrag zum wachsenden Antisemitismus in Niedersachsen und Deutschland beschlossen:

Seit dem 07. Oktober 2023 und den barbarischen Terrorattacken der Hamas auf Israel befinden sich Jüdinnen und Juden weltweit im Ausnahmezustand. Auch in Deutschland und in Niedersachsen sind die Auswirkungen dieses islamistischen Terrors unmittelbar zu spüren. Neben den Großdemonstrationen in Berlin, Frankfurt und Essen, in deren Rahmen zehntausende Teilnehmer ihren Antisemitismus auf die Straße trugen, fanden auch in Hannover und anderen Städten in Niedersachsen Kundgebungen statt, in deren Rahmen antisemitische Parolen verbreitet wurden und Israel das Existenzrecht abgesprochen wurde.

Neben diesen öffentlichen Demonstrationen von Antisemitismus in Deutschland ist das Leben von Jüdinnen und Juden aktuell vor allem auch dort bedroht, wo es keine große Öffentlichkeit gibt. Jüdische Gemeinden halten ihre Gottesdienste vermehrt digital ab, um die Gefahr von Übergriffen zu vermindern. Offiziell wird empfohlen, sich nicht mit Symbolen oder Kleidungsstücken in der Öffentlichkeit zu zeigen, die einen Rückschluss auf eine Verbindung zum Judentum zulassen. Jüdische Schulen bleiben geschlossen, weil Eltern um die Sicherheit ihrer Kinder fürchten müssen, und jüdische Schülerinnen und Schüler sind in Regelschulen der Schikane von Mitschülerinnen und Mitschülern ausgesetzt. Es wundert nicht, dass in dieser vergifteten Atmosphäre auch antisemitische Kommentare in den Sozialen Medien sowie Sachbeschädigungen und Schmierereien sprunghaft zugenommen haben.

Um jüdisches Leben in Niedersachsen zu schützen und Antisemitismus zu bekämpfen, braucht es einen breit getragenen Einsatz aus der Gesellschaft. Die FDP Niedersachsen begrüßt in diesem Zusammenhang den gemeinsamen Appell von Vertretern der jüdischen und palästinensischen Gemeinde in Hannover, mit dem ein Zeichen gegen Terror und Antisemitismus gesetzt wurde.

Daneben muss auch der Staat Antisemitismus aktiv und zügig bekämpfen. Gesetze zur Bekämpfung von Antisemitismus müssen konsequent und kompromisslos zur Anwendung kommen. Sofern gesetzliche Grundlagen nicht ausreichend sind, müssen sie praxistauglich und wirksam angepasst werden.

Das Land Niedersachsen muss Antisemitismus wehrhaft und entschlossen entgegentreten. Die FDP Niedersachsen fordert insbesondere:

Die Meinungs- und die Versammlungsfreiheit sind in unserer Demokratie hoher Güter. Niemand darf diese Grundrechte jedoch missbrauchen, um Terror und Gewalt zu unterstützen, antisemitische Parolen zu verbreiten oder Straftaten zu begehen. Deswegen müssen die Behörden die Versammlungslage genau im Auge behalten und dürfen nicht erst einschreiten, wenn es zu spät ist. Liegen entsprechende Erkenntnisse vor, müssen alle versammlungsrechtlichen Möglichkeiten bis hin zum Verbot einer Versammlung ausgenutzt werden. Stellen sich entsprechende Umstände später ein, müssen Versammlungen unverzüglich aufgelöst werden. Die Versammlungsbehörden in ganz Niedersachsen müssen zu einer einheitlichen Anwendung des geltenden Versammlungsrechts kommen, um antisemitische Exzesse zu verhindern.

Werden aus einer Versammlung heraus antisemitische Straftaten begangen oder verfassungsfeindliche bzw. verbotene Symbole, etwa islamistischer Organisationen, gezeigt, müssen umgehend die Personalien der Teilnehmer aufgenommen werden, um eine spätere Strafverfolgung zu ermöglichen. Straftaten mit antisemitischem Hintergrund dürfen nicht wegen Geringfügigkeit eingestellt werden. Bei Menschen ohne deutschen Pass müssen in derartigen Fällen alle ausländerrechtlichen Maßnahmen bis hin zur Ausweisung und Abschiebung ausgenutzt werden.

Durch die höhere Gefährdungssituation seit dem 7. Oktober sehen sich jüdische Gemeinden erheblichen zusätzlichen Kosten für Sicherheitspersonal ausgesetzt, die ihre Gemeinden vor Ort schützen. Dieser zusätzliche finanzielle Aufwand verschlingt einen erheblichen Teil der Gelder des Staatsvertrags, die für jüdisches Leben und jüdische Kultur in Deutschland vorgesehen sind. Die niedersächsische Landesregierung muss sicherstellen, dass jüdisches Leben und jüdische Kultur in Niedersachsen nicht eingeschränkt und den jüdischen Gemeinden zusätzliche Mittel für Sicherheitspersonal zur Verfügung gestellt werden. Sollten im Rahmen weiterer Maßnahmen in Niedersachsen Vereinsverbote oder die Schließung von Einrichtungen vorgenommen werden, die im Zusammenhang mit antisemitischen Straftaten stehen, soll das Vermögen dieser Vereine und Einrichtungen zur Finanzierung der oben genannten Punkte herangezogen werden.

Auch bei Polizei und Sicherheitsbehörden braucht es ein spezifisches Verständnis für die Sicherheitsbedürfnisse jüdischer Gemeinden. In den Kommunen mit jüdischen Gemeinden braucht es einen strukturierten Austausch zwischen Sicherheitsbehörden und der Gemeinde über die Gefährdungslage – über die aktuelle Situation hinaus.

Boykottaufrufe wie etwa durch die BDS-Bewegung gegen israelische Produkte und Firmen wecken bewusst Erinnerungen an die „Kauft nicht bei Juden“ Parolen der Nazizeit. Diesen Boykottaufrufe sind auf strafrechtliche Relevanz zu prüfen. Städte und Gemeinden müssen sich derartigen Aufrufen konsequent entgegenstellen.

Jüdische Schülerinnen und Schüler müssen in niedersächsischen Schulen ohne Furcht dem Unterricht folgen können. Kommt es an öffentlichen Schulen zu antisemitischer Schikane, sind die Täter zu sanktionieren und gegebenenfalls der Schule zu verweisen. Es darf nicht passieren, dass in diesen Fällen die Opfer aus Angst zum Verlassen der Schule genötigt werden.

In enger Kooperation mit den Sicherheitsorganen des Landes sind Verbote und Schließungen von Vereinen und Einrichtungen zu prüfen, die antisemitische Propaganda betreiben, antisemitische Straftaten begehen oder sich in Satzung oder Programmatik gegen das Existenzrecht Israels aussprechen.

Es ist nicht hinnehmbar, wenn in Moscheen in Niedersachsen antisemitische Parolen verbreitet werden, die durch die Organisation DITIB und die türkische Religionsbehörde gesteuert werden. Das Land muss sich stärker bei der Ausbildung von Imamen in Deutschland engagieren und unabhängiger von entsandten Imamen aus dem Ausland zu werden.

Um die Beziehung zu Israel zu bereichern, sollten bestehende Partnerschaften zwischen israelischen und niedersächsischen Städten und Gemeinden gestärkt werden. Auch das Land soll prüfen, inwiefern eine Partnerschaft mit einer israelischen Region möglich ist.

Es ist Aufgabe aller Demokratinnen und Demokraten Antisemitismus immer und überall zu bekämpfen. Nie wieder ist jetzt.