Gesunde Ernährung, regenerative Energie und Klimaschutz durch effiziente Landwirtschaft
Der Landesparteitag hat beschlossen:
Klimaschutz durch effiziente Landwirtschaft
Die Nahrungsmittel- und Energieversorgung bildet die Grundlage jeglicher Existenz auf der Erde. Chancen und Risiken der Bereitstellung müssen auf Basis der gegenwärtigen Möglichkeiten abgewogen werden.
Die Landwirtschaft ist nicht länger Teil einer Wirtschaftsstruktur, von der sich die Industriegesellschaft allmählich verabschiedet: Im Gegenteil - Deutschland und andere Industrienationen stehen vor einer „Revolution auf dem Acker“, welche die Landwirtschaft in die Mitte des Innovations- und Wirtschaftsgeschehens katapultiert. Wir stehen vor einer Renaissance des ländlichen Raumes.
Seit dem Frühjahr 2007 – mit Veröffentlichung der jüngsten UN-Weltklimaberichte durch den UN-Klimarat (IPCC) – erkennt die Weltbevölkerung wieder an, dass die Landbewirtschaftung für alle von Bedeutung ist. Der Klimawandel kann nicht mehr gestoppt werden, er kann nur noch begrenzt werden. Dabei spielt die Land- und Forstwirtschaft eine Schlüsselrolle. Sie zählt zu den Hauptbetroffenen des Klimawandels. Und während sie einerseits Klimagase emittiert - der Ausstoß aller Treibhausgase in der deutschen Landwirtschaft inklusive der Umwandlungsprozesse von organischen Stoffen beträgt allerdings nur 7,1 Prozent (2005; gerechnet in CO2-Äquivalenten; Quelle: UBA, Statistisches Bundesamt) -, leistet sie auf der anderen Seite einen großen Beitrag zum Klimaschutz. So ist die Land- und Forstwirtschaft heute der einzige Wirtschaftsbereich, der durch seine eigentliche Produktion mit einer überproportionalen CO2-Bindung eine positive Klimabilanz aufweist.
Die rasant wachsende Weltbevölkerung sowie der gestiegene Lebensstandard in bevölkerungsreichen Schwellenländern lässt auch in Zukunft einen steigenden Nachfragemarkt für Agrargüter zur Nahrungsmittelproduktion erwarten. Gleichzeitig ist – bedingt durch den Klimawandel - eine weitere Verknappung dieser Rohstoffe schon jetzt absehbar: So werden einige große Agrargüter produzierende Staaten der südlichen Hemisphäre aufgrund ihrer verschlechterten klimatischen Bedingungen für die Weltmarktproduktion fast komplett ausfallen.
Die deutsche Land- und Nahrungsmittelwirtschaft hat über Jahrzehnte hinweg ihre Produktionsmethoden und –qualitäten so optimiert, dass sie heute weltweit eine Spitzenposition einnimmt. Das muss so bleiben. Die Wertschöpfung aus der Land- und Ernährungswirtschaft wird aktuell mit 160 Mrd. Euro pro Jahr angegeben, wobei ein neuer Exportrekord von rd. 40 Mrd. Euro die Bedeutung dieses Sektors für die Gesamtwirtschaft unterstreicht. Damit steht diese Branche an zweiter Stelle hinter der Automobilindustrie.
Für die FDP ist die Nahrungsmittelproduktion weiterhin vorrangige Aufgabe der Landwirtschaft. Sie wird sich auch in Zeiten des Klimawandels dafür einsetzen, dass die Wettbewerbsfähigkeit des Agrarstandorts Deutschland gesichert bleibt.
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben kann und sollte die heimische Landwirtschaft einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Nachwachsende Rohstoffe und die organischen Reststoffe können in vielfältiger Form zur Energiegewinnung eingesetzt werden. Wie bei der landwirtschaftlichen Produktion zu Ernährungszwecken, ist auch hier die Nachhaltigkeit der Produktion und eine größtmögliche Effizienz im Sinne des Klimaschutzes zu gewährleisten.
Fördersysteme für nachwachsende Rohstoffe zur Energiegewinnung sind immer daraufhin zu überprüfen, ob sie zu Konkurrenzsituationen mit negativen Folgen für die Nahrungsmittelproduktion führen. Nicht die Alternative „Teller oder Tank“ sondern „Teller und Tank“ sollte die Leitlinie sein. Zur Energiegewinnung sollte der Schwerpunkt auf der Verwertung von Reststoffen liegen.
Es kann in der Landwirtschaft keine universellen Lösungen geben - zu unterschiedlich sind die Standortbedingungen. Die FDP will die Eigenverantwortlichkeit der Landwirte stärken, kennen sie doch selbst am ehesten die vorgegebenen Standortfaktoren und die beste Produktionstechnologie, um die Nachhaltigkeit der Produktion zu gewährleisten. Gesetzliche Regulierungen, die überproportional und einseitig die Land- und Forstwirtschaft belasten, lehnt die FDP strikt ab.
Die FDP fordert die Bundesregierung auf, sich an folgenden Zielen, Kriterien und Vorgaben zu orientieren und diese zum Maßstab ihres politischen Handelns zu machen:
National
1. Oberstes Ziel muss immer die Gewährleistung einer nachhaltigen Landwirtschaft sein. Dabei dienen Produktivität und Effizienz dem Klima-, Umwelt-, Verbraucher-, Naturschutz- und Tierschutz.
- Hochleistungstiere verursachen pro Kilo Ertrag (Fleisch oder Milch) weniger Emissionen als extensiv gehaltene Tiere, weil zur Erzeugung der gleichen Leistung eine höhere Anzahl von Tieren den jeweiligen Bedarf an Erhaltungsfutter umsetzt, bevor die Leistung eintritt. Daher sollte die Politik Zielkonflikte wahrnehmen, auch unter Klimagesichtspunkten konventionelle und ökologische Formen der Landwirtschaft als gleichwertig ansehen und die Konsumentscheidung dem Verbraucher überlassen;
- Zum Zwecke der Tierhaltung und zur Energiegewinnung sind im Pflanzenbau Dauerkulturen zu bevorzugen, um durch CO2-Bindung die CO2-Senken zu erhalten;
- Um CO2-Senken zu erhalten, sind Bodenqualitäten durch Humusanreicherung und Maßnahmen der Produktion zu verbessern;
- Aufforstungsmaßnahmen und Neuwaldbildung sowie innovative Landbewirtschaftungssysteme sind zu unterstützen;
- Das Bundeswaldgesetz ist zu ändern, um den Anbau von Energiehölzern in Agroforstsystemen zu ermöglichen.
2. Zur Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität und Intensität ist technischer Fortschritt in Form von modernster Landtechnik, Betriebsmitteln wie Dünge- und Pflanzenschutzmitteln, Pflanzenzüchtung (inkl. Grüner Gentechnik), Wasser sparenden Bewässerungssystemen unabdingbar.
- Die Pflanzenzüchtung ist auf höchste CO2-Bindung, optimale Energieausbeute und Futterverwertung auszurichten, hierfür bieten gentechnisch veränderte Organismen (GVO) besonders günstige Möglichkeiten;
- Die Boden- und Pflanzendüngung ist mittels modernster Techniken und Strategien (GPS, Dosierung, Präzisionstechnik) zu optimieren;
- Schließlich ist der Wissenstransfer aus der Forschung in die Praxis zu beschleunigen.
3. Verarbeitungs- und Transportwege müssen im Interesse des Klimaschutzes von der Veredelungsstufe der Produkte abhängen: Landwirtschaftliche Rohstoffe aus der Bodenproduktion sollten möglichst ortsnah zur Veredelung bzw. Energiegewinnung eingesetzt werden, regionale Vermarktungsstrategien müssen einen höheren Stellenwert im Bewusstsein der Menschen erhalten.
4. Des Weiteren ist eine kritische Abwägung weiterer Flächenansprüche für Siedlungs-, Gewerbe- und Verkehrsmaßnahmen und sonstiger Ansprüche nötig. Die Belange des Naturschutzes müssen verstärkt im Sinne einer guten ökologischen Praxis parallel zur landwirtschaftlichen Nutzung auf der Fläche berücksichtigt werden. Um dies bei einer stetig steigenden Nutzungskonkurrenz zu ermöglichen, ist eine möglichst produktive und effiziente Landwirtschaft als Garant für eine nachhaltige und klimafreundliche Ressourcennutzung erforderlich.
5. Rein-Biokraftstoffe sind von der neu eingeführten Sondersteuer bis Ende 2009 zu befreien. Danach ist eine Proportionalsteuer einzuführen, um die negativen ökologischen und ökonomischen Effekte des Beimischungszwanges zu vermeiden und einen positiven Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.
6. Es sollten neue Anreizsysteme zur Nutzung der vorhandenen Emissionsreduktionspotenziale in der Landwirtschaft geschaffen werden. Eine Stickstoffsteuer wirkt einer Optimierung der Produktion und damit dem Klimaschutz entgegen und wird abgelehnt.
7. „Verzichtsstrategien“ und Verbraucherbevormundung in der Ernährungspolitik werden als untaugliches Mittel abgelehnt. Sinnvoller ist die Information und Bildung z.B. über die ernährungsphysiologischen und klimapolitischen Vorteile des Genusses saisonaler Obst- und Gemüsearten. Zudem sind im Ernährungsbereich Verbesserungen bei der Herstellung, beim Transport und Handel von Lebensmitteln anzustreben.
8. Forschung und Entwicklung im Agrar- und Nahrungsmittelbereich sind auf nationaler Ebene deutlich stärker voranzutreiben. Die gegenwärtig praktizierte Sparpolitik bei der klassischen Agrarforschung ist unverantwortlich.
EU-Ebene
9. Zwar muss die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU den neuen Anforderungen, die sich aus dem Klimawandel ergeben, angepasst werden, dies darf aber nicht als Begründung zur Ausweitung der Modulation beim sog. „Health Check“ führen. Aus Gründen der Planungssicherheit und Verlässlichkeit müssen die Direktzahlungen der Ersten Säule bis 2013 gesichert sein.
10. Marktliberalisierung sowie die Integration von Umweltbelangen in die GAP haben bereits zu einem Rückgang der landwirtschaftlichen Klimagasemissionen geführt, eine Fortsetzung dieses Reformkurses ist daher auch aus klimapolitischer Sicht notwendig.
11. Um Produktionserweiterung und die Reduktion von Treibhausgasemissionen zu ermöglichen, muss die obligatorische Flächenstilllegung in der EU abgeschafft werden, damit eine landwirtschaftliche Nutzung erfolgen kann. Zukünftig ist eine Flächenstilllegung, die aus Naturschutzsicht vorteilhaft ist, durch gesonderte Programme zu honorieren.
12. Beim Wassermanagement ist ein nachhaltiges Bewirtschaftungs- und Nachfragemanagement erforderlich. Es gilt, effizientere Nutzungsmethoden anzuwenden und (weiter) zu entwickeln (z.B. Tröpfchenbewässerung) sowie die grenzüberschreitende Koordinierung von Wasserentnahmen aus Flüssen und Schaffung zusätzlicher Speicherkapazitäten zu optimieren.
13. Die Forschungsförderung durch das 7. EU-Forschungsrahmenprogramm ist in folgenden Bereichen zu verstärken:
- Innovation und Entwicklung neuerer und effizienterer Technologien (z.B. Düngeverfahren, Energie, Wassermanagement) und Produkte (z.B. Pflanzenzüchtung, Humusanreicherung der Böden);
- Auswirkung der agroökologischen Bewirtschaftung auf die Belastbarkeit von Ökosystemen;
- allgemeine Untersuchungen von Klimaauswirkungen auf Kohlenstoffanteile in Böden und Biosphäre;
- Datensammlung und Vernetzung vorhandener Informationssysteme.
International
14. Auf internationaler Ebene gilt es, Zertifizierungssysteme für Produktions-, Verarbeitungs- und Vermarktungsstränge von Biomasse festzulegen und durchzusetzen, um Nachhaltigkeitsstandards sicherzustellen. Ansonsten führt die verstärkte Biomasse-Nutzung in Europa zu global kontraproduktiven Ergebnissen bei Klimaschutz und Biodiversität. So ist der weitere Kahlschlag tropischer Regenwälder, das höchst klimaschädliche Abbrennen von Torfwäldern sowie die Trockenlegung von wertvollen Feuchtgebieten zur Anlage von Plantagen zu stoppen.
15. Zertifizierung ist aber keine alleinige Antwort, um kontraproduktive Effekte der Biomasse-Nutzung zu vermeiden. Die geplante Verdopplung der nationalen Quote zur Beimischung von Biokraftstoffen in Deutschland, aber auch das EU-Ziel für Biokraftstoffe verstärken den Druck auf die Liefermärkte in tropischen Ländern und müssen korrigiert werden. Die Erhöhung der nationalen Beimischungsquote sollte – wenn überhaupt - erst als Option zur Debatte stehen, wenn funktionierende Zertifizierungssysteme aufgebaut sind.
16. Mittelfristig sollte auf internationaler Ebene ein sektorübergreifender und möglichst unbürokratischer Emissionshandel eingeführt werden. Über internationale politische Verhandlungen muss großräumige Entwaldung verhindert werden.
17. Die internationalen Handelsbeziehungen müssen dahingehend angepasst werden, dass ein globaler Markt für ressourcenschonende und nachhaltige Technologien geschaffen werden kann. Beim Technologietransfer ist darauf zu achten, den Schutz des geistigen Eigentums der Unternehmen zu wahren.
18. Schließlich muss auf internationaler Ebene die Agrarforschung zur Entwicklung angepasster Pflanzen- und Tierarten und zur Sicherstellung der Ernährung sowie eines möglichst optimalen Klimaschutzes verstärkt werden. Investitionen in den Ausbau land- und forstwirtschaftlicher Strukturen in Entwicklungs- und Schwellenländern sind zu verstärken, da sie zu einer besonders hohen Wertschöpfung in diesen ländlichen Regionen führen.