Landwirtschaft mit Perspektive

Der Landesparteitag hat beschlossen:

Landwirtschaft besitzt für Niedersachsen eine herausragende ökonomische
Bedeutung, die weit über den eigentlichen Sektor hinausgeht. Gemessen am
Produktionswert von rund 13 Mrd. Euro ist Niedersachsen das Agrarland Nummer 1
in Deutschland. Unsere Landwirtschaft ist dabei Grundlage vielfältiger
Wertschöpfungsketten von vor- und nachgelagerten Unternehmen. Das betrifft den
Agrarhandel ebenso, wie die gesamte Ernährungswirtschaft und sorgt für einen
erheblichen Anteil der Wertschöpfung in ländlichen und mitunter
strukturschwachen Regionen. Dazu gehören Bau- und Stalleinrichtungsfirmen
ebenso, wie die Landmaschinenhersteller, die den Menschen auf dem Lande
berufliche wie auch soziale Perspektiven bieten. Dieser gesamte Bereich umfasst
rund 400.000 Arbeitsplätze, was etwa 10 Prozent der Erwerbstätigen entspricht.
Sie erzeugen in Niedersachsen qualitativ hochwertigste Lebensmittel zu
Bedingungen, die bei Ackerbau und Tierhaltung weit über international gültige
Standards hinausgehen. Biodiversität und Tierwohl werden durch die in
Deutschland geltenden höchsten Anforderungen in nur wenigen anderen Ländern auch
nur annähernd erreicht.

Gleichzeitig sind landwirtschaftliche Betriebe in den allermeisten Fällen
ortsansässige, mittelständische und familiengeführte Unternehmen, die sich
politischen Vorgaben und Auflagen nicht durch die Verlegung ihres Betriebes ins
Ausland entziehen können. Innerhalb des gemeinsamen europäischen Binnenmarktes
klaffen bei gesetzlichen Standards und Auflagen, die für Betriebe in Deutschland
gelten und den Vorgaben ihrer Berufskollegen mit Betrieben im europäischen wie
im überseeischen Ausland allerdings erhebliche Unterschiede. Aus diesem Grunde
besitzen insbesondere Betriebe etwa aus Süd- und Osteuropa erhebliche Kosten-
und Wettbewerbsvorteile und es werden vielfach Erzeugnisse aus dem Ausland zu
günstigeren Preisen angeboten als in Deutschland produzierte.

Die Menschen wünschen Lebensmittel aus heimischer Erzeugung und der weit überwiegende Teil der Bevölkerung steht hinter den aktuellen Forderungen der Landwirtschaft. Unsere heimische Landwirtschaft wird als regionaler Erzeuger von Grundnahrungsmitteln zu Recht als systemrelevant eingestuft.

Doch die Transformation und auch gesellschaftliche Wertschätzung der Landwirtschaft darf sich nicht auf die Lebensmittelproduktion reduzieren. Landwirtschaftliche Betriebe werden in den nächsten Jahren kluge Entscheidungen treffen müssen, ob Flächen neben der Produktion von Lebensmitteln zu Wohn- oder Gewerbeland umgewandelt werden, zur Gewinnung von Energie, zur Bindung von CO₂ oder als Ökosystemdienstleister genutzt werden.

Wir Freie Demokraten sehen darin nicht nur Herausforderungen, sondern vor allem Chancen. Chancen für Gesellschaft und Landwirtschaftliche Betriebe. Doch durch bürokratische Überregulierung in ihrer unternehmerischen Freiheit und Innovationsfähigkeit werden die Betriebe gerade in dieser entscheidenden Phase zur Zukunftsweichenstellung entscheidend eingeschränkt. Damit muss sofort Schluss sein!  

Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer heimischen Landwirtschaft fordern wir ein sofortiges Maßnahmenprogramm für die Land- und Forstwirtschaft mit folgenden Eckpunkten:

1. Harmonisierung der Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft auf
 europäischer Ebene. In einem europäischen Binnenmarkt müssen im Sinne der
 Wettbewerbsgleichheit die Produktionsbedingungen einheitlich gestaltet
 sein. Daher sollten systematische Notzulassungen von Pflanzenschutzmitteln
 in einigen Ländern ebenso der Vergangenheit angehören, wie erhöhte deutsche
 Sonderanforderungen gegenüber dem EU – Standard. Auch bei der Besteuerung
 von Agrardiesel streben wir eine EU – einheitliche Lösung an. Wir verlangen
 in diesem Zuge, dass es zu keinerlei Sonderbelastungen für die deutsche
 Landwirtschaft kommen darf, die nicht vollständig finanziell ausgeglichen
 werden.

2. Einführung einer sofortigen Tarifglättung mit einer Entfristung der
 Tarifermäßigung nach § 32c EStG. Gleichzeitig fordern wir die Anhebung der
 Gewinngrenze in §7 EStG von bisher 200.000 € auf 300.000 € sowie eine
 künftige dynamische Anpassung dieser Grenze.
 Die steuerlichen Nachteile aus den stark zunehmenden Gewinnschwankungen
 u.a. durch Klima- und Weltmarkteinflüsse, die nicht von der heimischen
 Landwirtschaft zu beeinflussen sind, sollen dadurch ausgeglichen werden.

3. Einführung einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage zur Stärkung des
 betrieblichen Risikomanagements zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Weltweite
 Krisen, wie der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, aber auch starke
 Ertragsschwankungen in Folge zunehmender Klimaveränderungen stellen die
 Landwirtschaft vor immer größere Herausforderungen und beeinträchtigen die
 Einkommenssicherheit unserer Höfe. Wir fordern deshalb, dass Landwirte in
 Form einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage diesen Risiken Rechnung
 tragen können.

4. Ermöglichung von Investitionsprämien auch für die Unternehmen der Land- und
 Forstwirtschaft im geplanten Wachstumschancengesetz. Der
 Transformationsbereich Landwirtschaft wird Deutschland auf dem Weg zu einer
 klimaneutralen Wirtschaft voranbringen und die Wettbewerbsfähigkeit des
 Standorts Deutschland stärken wie Handwerk, Industrie und Dienstleistungen.
 Daher fordern wir im Zuge der Gleichbehandlung mit diesen
 Wirtschaftszweigen der Landwirtschaft verlässliche faire Chancen auf
 wirtschaftlichen Erfolg und die Erfüllung gesamtgesellschaftlicher Ziele
 einzuräumen.

5. Rückführung aller Beeinträchtigungen und Auflagen auf Basis
 wissenschaftlicher Erkenntnisse. Am Beispiel der Stickstoffdüngung, die die
 niedersächsischen Landwirte um mehr als ein Drittel reduziert haben und
 deshalb aktuell landesweit deutlich unter dem Bedarf düngen wird deutlich,
 dass die Regelungen im Düngerecht - besonders in den Roten Gebieten - auf
 das unbedingt notwendige Maß beschränkt werden müssen. Wir fordern deshalb
 nachdrücklich, die vorurteilsfreie Wissenschaft statt Ideologie zur Basis
 der deutschen Agrarpolitik zu machen.

6. Zulassung von Pflanzenschutzmitteln ausschließlich auf wissenschaftlicher
 Grundlage. Eine fachliche Beurteilung auf der Grundlage wissenschaftlicher
 Erkenntnisse ist sowohl zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher,
 als auch zum Schutz der Natur notwendig. Land- und Forstwirte betreiben
 Pflanzenschutz, um ihre Bestände vor Schäden durch Krankheiten zu schützen.
 Das entspricht dem Prinzip der Nachhaltigkeit, weil so eine gute
 Flächeneffizienz erreicht und gesunde Nahrungsmittel produziert werden. Wir 
 fordern daher, dass Pflanzenschutzmittel, die bei definierten
 Anwendungen (z.B. Gewässerabstandsauflagen) von den nationalen Zulassungsbehörden in
 Deutschland wie dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), sowie von der
 Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) für unbedenklich
 erklärt werden, auch zugelassen werden.

7. Rückführung aller nicht unbedingt notwendigen bürokratischen Erfordernisse
 verbunden mit einer höchstmöglichen Umsetzung der Digitalisierung in allen
 behördlichen Vorgängen und der Einführung eines konsequenten Monitorings
 bzw. der Evaluierung bürokratischer Erfordernisse auf nationaler und
 europäischer Ebene. Am Beispiel der Regelungen im Düngerecht gibt es
 aktuell keinen Grund mehr für die völlig überzogenen aufwändigen Erhebungs-
 und Nachweispflichten und den dazugehörigen Melde- und Kontrollstrukturen.
 Wir fordern daher, die Bürokratie zu stoppen und damit einhergehende
 Wettbewerbshindernisse zu beseitigen.

8. Ein Auflagen-Moratorium für die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft gegen
 Anforderungen, die über den EU – Standard hinausgehen in Verbindung mit
 einem Programm zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit im
 europäischen Binnenmarkt. Wir lehnen jeden agrarpolitischen Sonderweg auf
 Ebene der Bundesländer oder auf nationaler Ebene ausdrücklich ab. Wir
 fordern, die Offenheit für technischen und digitalen Fortschritt zu
 gewährleisten

9. Die dauerhafte Rücknahme der von der EU beschlossenen verpflichtenden 4 % -
 igen Flächenstilllegung. Niedersachsen sollte mit seinen erzeugungsfähigen
 Böden seine Verantwortung für aufziehende weltweite Hungersnöte und die
 Erreichung globaler Nachhaltigkeitsziele anstreben, anstatt das Gegensteil
 zu bewirken. Wir fordern, die Ernährungssicherheit in Europa und in
 Deutschland weiter nachdrücklich zu verfolgen.

10. Das europäische Gentechnikrecht muss vollständig neu geregelt werden, um
 die Bewertung der inzwischen klassischen grünen Gentechnik an den heutigen
 Wissensstand anzupassen. Darüber hinaus wollen wir neue Züchtungsmethoden
 wie CRISPR/Cas9 transparent, rechtlich klar und fortschrittsorientiert so
 regeln, dass das Produkt und nicht die Methode der Erzeugung bewertet wird.
 Neue Züchtungstechniken ergänzen das Portfolio der biotechnologischen
 Methoden. Sie erlauben präzise, zeit- und kostensparende Änderungen im
 Erbgut einer Nutzpflanze, die von natürlichen Mutationen nicht zu
 unterscheiden sind. Daher sollte für diese neuen Züchtungsmethoden
 grundsätzlich das Sortenschutzrecht und nicht das Patentrecht angewandt
 werden.