New Work in Niedersachsen – Liberale Ideen für die neue Arbeitswelt

Der Landesparteitag hat beschlossen:

Zur freien Entfaltung der Persönlichkeit gehört eine Arbeit, mit der sich der einzelne Mensch gemäß seinen Talenten und Begabungen verwirklichen kann. Arbeit stellt sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft die ökonomische und soziale Basis dar. Dabei ist Arbeit nicht nur bloße Beschäftigung und die entsprechende Entlohnung. Sie ist auch die Quelle für Selbstverwirklichung, Sinnstiftung, gesellschaftliche Teilhabe, Kreativität und Innovation. Die Freien Demokraten in Niedersachsen wollen die politischen Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass der Arbeitsmarkt auch unter veränderten Bedingungen möglichst vielen Menschen einen Raum zur freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit bietet.

Von der Veränderung der Arbeitswelt sind aber nicht nur die Menschen in Arbeit betroffen. Sie betrifft die gesamte Wirtschaftsstruktur in Niedersachsen – einschließlich hergebrachter Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle – sowie die Lebensbedingungen auf dem Land und in der Stadt. Die Freien Demokraten wollen die niedersächsische Good Old Economy bei den anstehenden Veränderungen begleiten.

Die Arbeitswelt wird sich in folgenden Bereichen verändern:

  • Die Digitalisierung erfasst und verändert alle Lebensbereiche – auch jene, in denen Menschen arbeiten. Im Zuge der Digitalisierung sowie durch Forschung, Innovation und Wachstum werden neue Berufsbilder, Geschäftsmodelle und Arbeitsplätze entstehen. Im Gegenzug werden bestimmte Berufsbilder, Geschäftsmodelle und Arbeitsplätze in der Zukunft nicht mehr existieren.
  • Viele Menschen haben den Wunsch nach mehr Flexibilität in ihrer Zeitplanung. Für sie ist der Ausgleich zwischen und die Verbindung von beruflicher Tätigkeit und anderen Aufgaben heute wichtiger als früher. Zeit für eine Partnerschaft, für Kinder, für die Pflege von Angehörigen, für Weiterbildung, für Urlaub und für das Ehrenamt nimmt heute im Verhältnis zur Arbeit einen höheren Stellenwert ein.
  • Bei manchen Tätigkeiten verschwimmt die starre zeitliche und örtliche Grenze zwischen Arbeit und Freizeit. Gleichzeitig verschwimmt durch die Entstehung neuer Geschäftsmodelle und Berufsbilder bei manchen Tätigkeiten die starre Grenze zwischen Angestelltenverhältnis und Selbstständigkeit. Innerhalb der Biografie eines einzelnen Menschen werden sich Angestelltenverhältnisse, Selbstständigkeit und Weiterbildung in Zukunft öfter abwechseln als bisher.
  • Die Veränderung der Arbeitswelt kann die Rollen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber neu definieren. Innerhalb von Betrieben entstehen neue Formen von Arbeit und Zusammenarbeit, die durch kreative und technische Lösungen bestimmt werden. Arbeitgeber müssen sich stärker bemühen, Arbeitnehmer für bestimmte Tätigkeiten zu finden und über einen längeren Zeitraum zu halten.
  • Durch die Veränderung der Anforderungen an bestimmte Tätigkeiten und durch die Flexibilisierung von Lebensläufen steigen die Anforderungen an unser Bildungssystem.
  • Durch die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle mit neuen Wertschöpfungsketten sowie durch die Veränderung von Arbeitsbiografien gerät unser System sozialer Sicherung unter Druck.
  • Die Digitalisierung löst in manchen Bereichen ethische, moralische und rechtliche Folgefragen aus. Dies betrifft besonders den Einsatz Künstlicher Intelligenz.

I. Voraussetzungen der neuen Arbeitswelt

Die Veränderung der Arbeitswelt hängt von bestimmten Voraussetzungen in den Bereichen Infrastruktur, Mobilität und Raum- bzw. Bauplanung ab. Der Ausbau der digitalen Infrastruktur und die vermehrte Nutzung digitaler Lösungen, die Nutzung neuer Mobilitätsformen und die Veränderung der Raum- bzw. Bauplanung gehören nicht zu den Ergebnissen, sondern sind Voraussetzungen einer veränderten Arbeitswelt.

Die FDP Niedersachsen setzt sich dafür ein:

  • 5G an jeder Milchkanne: Eine digitale Arbeitswelt braucht eine digitale Infrastruktur. Eine flächendeckende Versorgung mit einem hochleistungsfähigen Netz über Glasfaser und 5G sind unerlässlich. Wie die klassische Infrastruktur muss ein solches Netz Teil der Grundversorgung sein. Mit einer Politik, die sich am Lizenzverkauf eine goldene Nase verdienen will und danach mangelnde Erreichbarkeit in Regionen beklagt, die wirtschaftlich nicht zu betreiben sind, muss Schluss sein.

  • Neue Mobilität: Der Automobilstandort Niedersachsen muss sich federführend an der Entwicklung neuer Mobilitätsformen beteiligten. Bestehende Initiativen zur Erprobung autonomen Fahrens müssen um die Gesichtspunkte neuer Transporttechniken und Lieferwege und des Einsatzes von Drohnen ergänzt werden.
  • Neue Bauplanung: Neue Geschäftsmodelle erfordern in vielen Fällen keine strikte Trennung zwischen Wohn- und Arbeitsort. Stattdessen kann die Arbeit von zu Hause eine Chance für Unternehmensgründungen und können Co-Working-Spaces eine Chance für die Innenstadtbelebung und gegen Leerstände sein. Der Zweck einer Immobiliennutzung kann sich in einer veränderten Arbeitswelt schneller ändern als bisher. Es braucht eine Beschleunigung der Genehmigungserteilung und Experimentierräume im Bauplanungsrecht.
  • Künstliche Intelligenz: Der Einsatz künstlicher Intelligenz ist eine Triebfeder für die Veränderungen unserer Arbeitswelt. Wir sind deswegen überzeugt: Wer international den Anschluss in dieser wichtigen Schlüsseltechnologie verliert, verliert damit auch wesentliche Gestaltungsmöglichkeiten unserer Arbeitswelt. Politik ist deswegen gefragt, dem Themenbereich der Künstlichen Intelligenz einen zentralen Stellenwert in der nationalen wie europäischen Forschungsförderung und –strategie einzuräumen. Gleichermaßen ist Politik gefragt, einen gesellschaftlichen wie juristischen Konsens über den Einsatz künstlicher Intelligenz herbeizuführen. Fragen von Haftung und Ethik müssen nicht nur gestellt, sondern auch beantwortet werden, um nicht zum dauerhaften Bremsklotz von Entwicklung zu werden. Die aktuelle KI-Initiative der Bundesregierung wird diesem Anspruch nicht im Ansatz gerecht.

II. New Work braucht eine neue Bildungspolitik

Die Grundlagen des heutigen Schulsystems wurden in der industriellen Revolution gelegt, von der Stundentaktung bis hin zum Klassensystem. Mitten in einer digitalen Transformation unserer heutigen Wirtschaftswelt muss die Bildungspolitik die Menschen auch auf Herausforderungen einer veränderten Arbeitswelt vorbereiten.

Die FDP Niedersachsen setzt sich dafür ein:

  • Grundkompetenzen in der digitalen Welt: Auch in Zeiten digitaler Bildung sind Sprachkompetenz, Lesen, Rechnen und Schreiben wesentliche Grundfähigkeiten und -fertigkeiten, die jeder beherrschen muss. Die Ausbildung in diesen essentiellen Kulturtechniken muss gestärkt und um die Beherrschung einer neuen Kulturtechnik erweitert werden: einem Grundverständnis für digitale Zusammenhänge.
  • Fortschritt auch im Lehrplan: Wir setzen uns für eine feste Berücksichtigung von Informatik im Lehrplan aller Schulformen ein. Dabei soll im Fach Informatik sowohl Medienkompetenz, Programmieren, Verständnis des Internets vermittelt werden als auch ethisch und rechtliche Folgefragen infolge der Digitalisierung diskutiert werden.
  • Neue Möglichkeiten des Lernens: Die Veränderungen in der Gesellschaft und in der Arbeitswelt machen auch vor den Formen des Lernens nicht halt. In der Arbeitswelt werden Prozesse und Entscheidungen auf eine breite Basis von kooperativen Entscheidungen gestellt und die eigene Verantwortung der Arbeitnehmer wird gestärkt. Darauf muss Bildungspolitik reagieren. Neben der Vermittlung von Wissen muss herausgearbeitet werden, auf welche Weise der Wissenstransfer zur Lösung eines Problems gelingen kann. Hier wird die Digitalisierung neue didaktische Konzepte und Methoden hervorbringen, die wir nutzen wollen. Darüber hinaus wollen wir Schüler besser in ihren Interessen, Talenten und Stärken fördern, beispielsweise durch ein intensives Beratungssystem.
  • Eine bundesweite Bildungscloud: Bund und Länder müssen eine gemeinsame Bildungscloud realisieren, damit Schulen bei der Bereitstellung digitaler Lerninhalte von unnötigen Vorgängen und Doppelstrukturen befreit werden. In der Bildungscloud sollen den Schülerinnen und Schülern bspw. die Abitur- und Abschlussklausuren aller Bundesländer sowie die entsprechenden Lösungsskizzen kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
  • Grundlagenoffensive statt Spezialistentum: Kreativität, Empathie und Innovationskraft lassen sich nicht durch Computer ersetzen. Genau diese menschlichen Stärken werden in Schulen und im Studium aber nur nachgeordnet gefördert und ausgebildet. Auch die Lehrerbildung muss im Hinblick auf eine wirkungsvolle Vermittlung dieser Kompetenz reformiert werden. Mit immer neuen Berufs- und Studienabschlüssen wurde in den vergangenen Jahren versucht, immer spezialisiertere Fachkräfte auszubilden. Dabei klagen Arbeitgeber, dass diese Spezialisten wesentliche Grundlagen nicht mehr beherrschten. Zudem ändern sich mit einer immer schneller im Wandel befindlichen Berufs- und Arbeitswelt auch die Anforderungen an die Spezialisierung. Im Rahmen einer Grundlagenoffensive müssen die Inhalte von Schul-, Berufs- und Studienabschlüssen kritisch überprüft werden. Wenn nötig, müssen Ausbildungs- und Studiengänge zusammengelegt werden.
  • Halbwertzeit von Bildungsabschlüssen: Wenn sich das verfügbare Wissen rasant vermehrt, dürfen Bildungsbiografien nicht mit dem ersten berufsqualifizierenden Abschluss enden. Wenn sich Berufsbilder und ihre notwendige Qualifizierung ändern, müssen Menschen mit vorher erworbenen berufsqualifizierenden Bildungsabschlüssen die Chance erhalten, ihren Abschluss auf die neue Qualifikation upgraden zu können. Die etablierten berufsständischen Körperschaften wie z.B. die Industrie- und Handels-, die Handwerks-, Rechtsanwalts- und Ärztekammern leisten einen wichtigen Beitrag zur beruflichen Weiterbildung und müssen dabei weiter unterstützt werden. Außerdem müssen Berufsschulen und Hochschulen Ausbildungs- und Studiengänge anbieten können, bei denen eine kontinuierliche Fortbildung Voraussetzung für die Wertigkeit des erlangten Abschlusses ist. Dazu bedarf es einer neuen Alumnikultur von Hoch- und Berufsschulen. Absolventen müssen sich regelmäßig über das veränderte Ausbildungswissen und neue Studieninhalte informieren können. Es müssen geeignete Angebote in Präsenzveranstaltungen und Onlineangeboten der Hoch- und Berufsschulen geschaffen werden, die den ehemaligen Absolventen neben anderen externen Weiterbildungsangeboten die Möglichkeit bieten, sich auf den aktuellen Stand von Wissenschaft und Forschung zu ihrer Profession stetig weiter zu qualifizieren.
  • Sichtbare Weiterbildung: Neben einer Verbesserung der organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen bedarf es einer neuen wertschätzenden Kultur für Weiterbildung und Qualifizierung im Laufe einer Erwerbsbiografie. Dazu könnte etwa ein Titel eingeführt werden, der dem Beruf oder dem akademischen Grad ergänzend hinzugefügt werden kann und verdeutlicht, dass sich die Träger dieses Namenszusatzes kontinuierlich fortgebildet und weiterqualifiziert haben.
  • Digitales Lebensbildungskonto: Mit einem digitalen Lebensbildungskonto wollen wir Qualifizierungen und Abschlüsse übersichtlich aufbereiten, so dass jeder Einzelne geeignete und notwendige Fortbildungs- und Qualifizierungsangebote erkennen kann.
  • Niedersächsische Coding-Initiative: Die für eine digitale Arbeitswelt nötigen Kompetenzen werden nicht notwendigerweise im Rahmen standardisierter Bildungsabschlüsse erworben. Gleichzeitig herrscht im Bereich der IT-Spezialisten ein großer Fachkräftemangel. Das Angebot und der Zugang zu Ausbildungs- und Studiengängen im Bereich des Programmierens müssen überprüft werden. Wenn nötig, müssen Zugangsbarrieren abgebaut und gemeinsam mit der Wirtschaft neue Strukturen entwickelt werden. Am Ende sollte die Einrichtung einer neuen niedersächsischen Coding School stehen. Eine Universität, die nicht dem Namen und Titel wegen, an althergebrachten Formaten, Räumlichkeiten und Konzepten von universitären Wissensvermittlung hängt, sondern sich als Innovationsprojekt für die gesamte Hochschullandschaft in Europa empfindet. Eine Universität, die ihre „third mission“ nicht noch mühsam mit Leben füllen muss, sondern in ihrer Gründungs-DNA trägt und die völlig neue universitäre Beteiligungsformen für Ausgründungen von Startups ermöglicht.
  • Duale Ausbildung und Künstliche Intelligenz: Um schneller auf technologische Trends reagieren zu können, fordern wir Freien Demokraten die Einrichtung einer speziellen Forschungseinheit am Bundesinstitut für Berufsbildung, die ausschließlich und fortwährend die Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz auf die Qualifikationserfordernisse im deutschen Arbeitsmarkt und im beruflichen Bildungssystem analysiert und antizipiert.
  • Kompetenzerwerb außerhalb standardisierter Bildungsgänge: Um Menschen mit lückenhaftem oder nicht-linearem Bildungsverlauf und Menschen mit Leistungseinschränkungen den Eintritt in den Arbeitsmarkt zu erleichtern, müssen gemeinsam mit Arbeitgebern Modelle entwickelt und bekannt gemacht werden, die den Erwerb spezieller Zertifikate ermöglichen. Dadurch wird die Vielfalt der Talente besser genutzt und Fachkräftemangel gemindert.

III. New Work braucht lebenslange Weiterbildung

Veränderung der Arbeitswelt bedeutet Veränderung beruflicher Kompetenzprofile und Karrierewege. Ein Lebenslauf – Schule, Ausbildung und dann Jahrzehnte im gleichen Beruf – ist künftig in vielen Konstellationen nicht mehr vorstellbar. Weiterbildung ist die Antwort auf diese Veränderung. Sie stellt den Fachkräftebedarf der Wirtschaft und die Innovationsfähigkeit der arbeitenden Menschen sicher. Sie fördert die Integration in den Arbeitsmarkt. Dabei ist Weiterbildung nicht nur ein gesellschaftliches oder wirtschaftliches Erfordernis. Sie sollte im Interesse jedes arbeitenden Menschen und jedes Arbeitgebers sein. Vor diesem Hintergrund bedarf es in einer veränderten Arbeitswelt vor allem einer Kultur der Weiterbildung.

Die FDP Niedersachsen setzt sich dafür ein:

  • Mehr Anspruch auf Weiterbildung: Schon heute besteht für viele Menschen ein vielfältiges Angebot an Weiterbildung, insbesondere durch private Träger. Wir wollen dieses Angebot ausbauen und den Menschen einen größeren Anspruch auf Weiterbildung einräumen. Die Etablierung einer Weiterbildungskultur ist auch eine staatliche Aufgabe. Das Angebot von Weiterbildung ist Sache privater und öffentlicher Anbieter. Neben eigenen Angeboten der Unternehmen sowie der Bundesagentur für Arbeit sind auch Kammern und Branchenverbände als Anbieter gefordert, wobei die Anzahl weiterer externer Anbieter, die ein der Weiterbildungsbranche tatsächlich entsprechendes Niveau vorweisen können, gesteigert werden sollte. Grundsätzlich sollen die neuen digitalen Möglichkeiten in der Weiterbildung konsequent genutzt werden und vermehrt Lernmöglichkeiten während des Arbeitsprozesses geschaffen werden, damit lange Freistellungszeiten vermieden und Kosten eingespart werden können.
  • Für eine neue Weiterbildungskultur: Entsprechende Bedarfe zur Weiterbildung müssen frühzeitig erkannt werden, Zugangschancen müssen verbessert werden und Angebote zur entsprechenden Beratung sind bereitzustellen. Beratung ist ein wichtiger Schlüssel, um Lernbedarfe zu erkennen und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten zu erschließen sowie die Hemmschwelle vor notwendigen Veränderungen zu nehmen. Dazu ist der Aufbau unabhängiger Beratungsstellen für die Weiterbildung notwendig. Diese sollen Anstöße für Innovationen, Produktivitätssteigerungen sowie zur Personal- und Unternehmensentwicklung geben. Den Beschäftigten sollen sie durch entsprechende Angebote helfen, ihre Handlungs- und Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten und zu verbessern, auf Arbeitgeber- oder Branchenwechsel hinzuweisen sowie die Vereinbarkeit von Festanstellung, Selbstständigkeit und familienbedingten Auszeiten aufzuzeigen.
  • Ausgestaltung der Weiterbildung: Bei Bedarf und Interesse müssen Menschen die Gelegenheit bekommen, sich weiterzubilden – das gilt auch, aber nicht nur, für Mangelberufe wie etwa im Pflegebereich. Wir wollen, dass allen versicherungspflichtig Beschäftigten nach mindestens 4-jähriger Berufstätigkeit ein Anspruch auf ein Jahr Weiterbildungsgeld mindestens in Höhe des Arbeitslosengeldes I zusteht. Die Weiterbildungsmaßnahme muss dabei nicht am Stück durchgeführt werden. Falls die Weiterbildungsmaßnahme nicht in Vollzeit durchgeführt wird, so verringert sich das Weiterbildungsgeld und die Dauer verlängert sich entsprechend. Kleinen und mittleren Unternehmen wird ein Teil des Weiterbildungsgeldes eines sich in Weiterbildung befindlichen Mitarbeiters erstattet.
  • Freiraumkonto und Midlife-BAföG: Um sich individuell größere Möglichkeiten, etwa für Erziehungs- und Pflegezeiten, Auszeiten oder Sabbaticals sowie längere Weiterbildungen zu nehmen, können Arbeitszeiten schon heute mittels so genannter Langzeitkonten aufgespart werden. Diese Möglichkeit muss ausgebaut werden. Wir wollen das Langzeitkonto zu einem echten Freiraumkonto weiter entwickeln, etwa durch eine Möglichkeit der Mitnahme von Langzeitkonten, eine Möglichkeit der Rückübertragung von der Rentenversicherung, die Verbesserung der Kompatibilität mit anderen Instrumenten wie etwa dem Elterngeld und der Einführung eines Rechtsanspruchs des Arbeitnehmers auf steuer- und abgabenfreie Entgeltumwandlung sowie eine Befreiung der Unternehmen von Bürokratielasten bei den Langzeitkonten. Für Menschen, die keinen eigenen Anspruch auf ihrem Freiraumkonto ansparen können, kann der Staat die Einzahlung übernehmen – mit diesem Midlife-BAföG haben auch Menschen mit geringerem Einkommen eine Chance auf qualitativ hochwertige Weiterbildung.
  • Rolle der Hochschulen: Neben klassischen Weiterbildungen muss auch eine akademische Weiterbildung möglich sein. Hier sind die Universitäten und Hochschulen gefragt. Dabei soll es möglich sein, einzelne Kurse oder Module zu belegen, ohne sich direkt für ein ganzes Studium einzuschreiben. Voraussetzung hierfür ist, dass an der jeweiligen Hochschule entsprechende Kapazitäten bestehen und dass eine Einzelbelegung zweckmäßig ist, sprich der Stoff auch für sich genommen oder mit nur wenig Vorwissen begreifbar ist und der Bewerber bereits über notwendiges Vorwissen verfügt. Anschließend ist eine Teilnahme am Kurs samt Mitschreibens von Klausuren und Hausarbeiten genauso wie für Studierende möglich. Zur Finanzierung erhalten Beschäftigte und Arbeitssuchende eine bestimmte Anzahl an Gutscheinen pro Jahr, die er oder sie an einer Bildungseinrichtung seiner Wahl einlösen kann. Der Wert der Gutscheine muss angemessen sein, damit Universitäten und Hochschulen ausreichend Anreize haben, um Wissbegierige mit attraktiven Angeboten zu locken. 

IV. New Work braucht ein neues Arbeitsrecht

Die Sozialpartnerschaft aus Arbeitgebervertretung und Gewerkschaften ist ein hohes Gut und wesentlicher Teil der Erfolgsgeschichte der deutschen Sozialen Marktwirtschaft. Als Freie Demokraten schätzen wir dieses ausgewogene Selbstkorrektiv unseres Arbeitsmarktes und wollen es auch künftig nicht einschränken. Das bestehende Arbeitsrecht mit seinen Wurzeln in der Industriegesellschaft normiert den betrieblichen Alltag jedoch immer noch detailgetreu. Für neue Dienstleistungsberufe, digitale Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten sowie Lebensläufe, in denen sich Arbeitnehmer- und Selbstständigen-Eigenschaften abwechseln, braucht dieses Arbeitsrecht ein Update. In bestimmten Berufen wird ein hohes Maß an durch das Arbeitsrecht vermittelter Sicherheit auch weiterhin benötigt. In anderen Konstellationen kann ein Mehr an Flexibilität im Arbeitsrecht mit besseren Absicherungen an anderer Stelle ausgeglichen werden, beispielsweise mit dem Angebot und dem Anspruch einer Unterstützung bei lebenslanger Weiterbildung, um beim digitalen Wandel mithalten zu können.

Die FDP Niedersachsen setzt sich dafür ein:

  • Modernisierung der Arbeitszeit: Wir wollen die Spielräume ausnutzen, welche die EU-Arbeitszeitrichtlinie den Mitgliedstaaten einräumt. Der deutsche Gesetzgeber hat hier ohne Not engere Grenzen als notwendig gezogen. Diese passen vielfach nicht mehr in eine Zeit des mobilen Arbeitens und gleichberechtigter Teilhabe am Erwerbsleben von Vätern und Müttern, die sich auch beide bei der Kinderbetreuung engagieren wollen. Es soll niemand mehr arbeiten müssen oder weniger Pausen machen dürfen als zuvor, aber es sollen alle flexibler die Arbeitszeit unter der Woche einteilen können.
  • Abschaffung der Höchstüberlassungsdauer: Durch die tarifvertraglichen Regelungen waren bestehende Probleme schon vorher gelöst, wie etwa die notwendigen und richtigen Lohnzuschläge bei längeren Verleiheinsätzen (Equal Pay). Dennoch ist eine gesetzliche Höchstüberlassungsdauer festgeschrieben worden, die nicht zum deutschen Arbeitgebermodell bei der Zeitarbeit passt. Gerade bei der hochqualifizierten, projektorientierten Arbeitnehmerüberlassung im für die Digitalisierung entscheidenden IT- Bereich schafft die Höchstüberlassungsdauer neue Probleme. Zeitarbeit kann gerade hier für viele der gewünschte Mittelweg zwischen Selbständigkeit und der Arbeit in nur einem Unternehmen sein – diese Option sollte der Gesetzgeber nicht erschweren.
  • Recht auf mobiles Arbeiten und Homeoffice: Beschäftige sollten ein Recht auf mobiles Arbeiten oder Homeoffice erhalten, sofern dem Betriebsgröße oder betriebliche Belange nach Prüfung durch den Arbeitgeber nicht entgegenstehen. Zugleich müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer von bürokratischen Vorgaben mancher Arbeitsschutzvorschriften entlastet werden. Nicht der Wunsch nach mobilem Arbeiten oder Homeoffice soll einer Begründung bedürfen, sondern die Ablehnung desselben. Allerdings ist hierbei eine konkrete Differenzierung nach Unternehmensgröße in Hinblick auf den zu erwartenden bürokratischen Aufwand zu prüfen. Kleinere Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern sollen von der Beweislastumkehr ausgenommen sein. Mobiles Arbeiten und Homeoffice können mit geeigneter Unterstützung auch Menschen mit Behinderungen die Teilhabe an der neuen Arbeitswelt erleichtern.
  • Digitale Mitbestimmung: Das bestehende Betriebsverfassungsrecht organisiert die Willensbildung von Beschäftigten nur offline. So können Betriebsversammlungen ausschließlich in Präsenzveranstaltungen stattfinden. Digitalisierung und Arbeitnehmerbeteiligung dürfen aber kein Widerspruch sein. Wir wollen die Chancen neuer Technologie nutzen, damit Arbeitnehmer noch direkter ihre Mitbestimmungsrechte nutzen können. Und während sich betriebliche Führungs- und Organisationsformen rasant ändern, darf die Arbeitnehmervertretung nicht gesetzlich an Organisationsformen der Vergangenheit gefesselt sein. Das Betriebsverfassungsrecht muss Möglichkeiten für neue Formen der Mitarbeiterbeteiligung bieten.
  • Faires Kräftegleichgewicht im Arbeitsrecht: Unser Arbeitsmarkt erlebte in den letzten Jahren einen rasanten Wandel hin zu einem Arbeitnehmermarkt. Die Tradition des Arbeitsrechts in Deutschland ist hingegen vor allem ein Schutzrecht des Arbeitnehmers. Ohne diese Schutzrechte in Frage zu stellen, stellt sich gerade im Bereich besonders gefragter Fachkräfte die Frage, ob die unterschiedlichen Interesse und Schutzerfordernisse durch das bestehende Arbeitsrecht noch zeitgemäß abgebildet werden. Wir wollen deswegen mit den Sozialpartnern darüber diskutieren, ob beispielsweise hohe Gehälter oder ein extremer Fachkräftemangel Gründe sein können, in bestimmten Konstellationen den Kündigungsschutz zu flexibilisieren.
  • Arbeitsstättenregulierung von morgen: Die Regelungen der Arbeitsstättenverordnung, der Unfallversicherungen und Berufsgenossenschaften lassen sich häufig nicht auf die gewünschten neuen Arbeitsumgebungen übertragen. Wir wollen den über Jahrzehnte erreichten hohen Standard von Arbeitsschutz und -sicherheit auch bei einer Veränderung der Arbeitsräume nicht verlieren, müssen aber feststellen, dass die Regelungen und vor allem gerichtliche wie verwaltungsseitige Auslegungen in diesem Bereich über das eigentliche Ziel hinausschießen. Wir wollen deswegen die Arbeitsstättenverordnung und andere betroffene Regelungen so modernisieren, dass nicht der Zollstock zwischen Tastatur und Maus, sondern das Wohlbefinden des Mitarbeiters im Mittelpunkt des Rechts und seiner Auslegung steht.
  • Nutzung von Werkverträgen: So berechtigt das politische Interesse ist, einen Missbrauch von Werkverträgen zu verhindern, so sehr haben die gesetzlichen Verschärfungen dem Werkvertrag als wichtiges Vertragsinstrument für hochqualifizierte und sehr gut bezahlte Freelancer unnötig geschadet. Wir wollen die gesetzlichen Änderungen der letzten Jahre deswegen auf den Prüfstand stellen und einen gesetzlichen Rahmen schaffen, der die Nutzung von Werkverträgen in hochqualifizierten und über durchschnittlich entlohnten Branchen unbürokratisch möglich macht und den Missbrauch des Werkvertrages als Umgehung von Leiharbeit ausschließt. 
  • Für eine starke Gründerkultur: Start-ups sind Innovationsmotor einer neuen Arbeitswelt. Neue Arbeitsformen schaffen ein kreatives Umfeld, das zu neuen Ideen führt. Wir wollen, dass Start-ups in Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Start-up-Centern und anderen Netzwerken von Mentoren begleitet werden. Gründerstipendien sollen den nötigen Freiraum schaffen, sich mit Ideen und Kunden auseinanderzusetzen. Wir wollen den Weg in die Selbständigkeit insbesondere für Arbeitnehmer und Studierende erleichtern. So wollen wir mit der Einführung eines Urlaubssemesters für Gründer, Studierenden die Chance geben, sich auch während des Studiums voll und ganz auf ihre Gründung konzentrieren zu können. Wir wollen außerdem mit den Sozialpartnern darüber diskutieren, wie Arbeitnehmern der Weg in Selbständigkeit erleichtert werden kann. Das schwedische Modell mit sechs Monaten unbezahlter Auszeit für eine Gründung ist als eine Möglichkeit zu prüfen.

V. New Work braucht flexiblere Soziale Sicherungssysteme

Die sozialen Sicherungssysteme orientieren sich an Erwerbsbiografien des letzten Jahrhunderts. Doch die Zeiten, in denen man sein ganzes Erwerbsleben bei weniger als einer Handvoll Arbeitgeber verbrachte, sind vorbei. Mehr noch: Vermehrt wechseln sich Lebensphasen als Angestellter mit Zeiten als selbstständiger Freelancer ab und unterbrechen Sabbaticals und Qualifizierungen unsere Erwerbstätigkeit. Europäische Freizügigkeit und offene Weltmärkte ermöglichen uns Beschäftigungen im Ausland und sorgen hierzulande für qualifizierte Zuwanderung in unseren Arbeitsmarkt. Immer mehr Menschen wünschen sich lebensphasenorientierte Arbeitszeitmodelle und immer weniger wollen sich einen Stichtag ihres Ruhestands vom Gesetzgeber vorschreiben lassen, sondern selbst entscheiden, wie lange sie arbeiten. Wir sehen in diesen Entwicklungen zu allererst eine große Chance für jeden Einzelnen, sein Erwerbsleben nach ganz individuellen Wünschen und nicht nach wenigen festgelegten Mustern leben zu können. Aufgabe von Politik und Staat muss es also sein, diese Vielfalt an Lebens- und Arbeitsmodellen zu ermöglichen und sie nicht länger mit rechtlichen Rahmenbedingungen oder der Konstruktion unserer sozialen Sicherungssysteme zu erschweren.

Schon heute ist mancher Rentenbescheid katalogdick. Immer individuellere und differenziertere Lebens- und Erwerbsbiografien dürfen unsere Sozialen Sicherungssysteme aber nicht immer komplexer und damit intransparenter machen. Mit dem liberalen Bürgergeld fordern wir Freien Demokraten seit langem eine Bündelung unterschiedlicher Sozialtransfers, die den Bürger nicht länger zum Bittsteller in einem intransparenten Bürokratiedschungel macht. Im Sinne einer zunehmenden Veränderung unserer Arbeitswelt gilt es auch in den klassischen Säulen unserer Sozialversicherungen Vereinfachungen zu erreichen.

Mit New Work kann Teilhabe und Integration von Menschen mit eingeschränkter Erwerbsfähigkeit leichter werden. Verrentung wird dann nicht immer notwendig sein. Auch Menschen mit eingeschränkter Erwerbsfähigkeit haben dann bessere Chancen an einem Arbeits-, Entwicklungs- und Wertschöpfungsprozess mitzuwirken. Diese Chancenfülle ist durch New Work erst möglich und bedarf kontinuierlicher Ausgestaltung der neuen Möglichkeiten.

Die FDP Niedersachsen setzt sich dafür ein:

  • Chancengeld statt Bedingungslosem Grundeinkommen: Wir wollen Brücken aus der Arbeitslosigkeit in den Arbeitsmarkt bauen. Dafür ist ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht geeignet. Es ist außerdem mit dem liberalen Menschenbild, welches auf Eigenverantwortung und Respekt vor Leistungsbereitschaft setzt, nicht vereinbar. Stattdessen wollen wir das liberale Konzept des Bürgergeldes zu einem Chancengeld weiter entwickeln, mit dem sich die Aufnahme von Arbeit immer lohnt und welches Anreize zur Weiterbildung enthält.
  • Klare Schnittstellen und ein digitales Vorsorgekonto: Mit einem digitalen Vorsorgekonto soll jeder Bürger die Möglichkeit haben, den Stand seiner Vorsorge und Absicherung einzusehen. Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung dürfen nicht länger in Silos denken. Es bedarf standardisierter Schnittstellen, mit denen ein fachlicher wie organisatorischer Austausch stattfindet. Dabei muss auch ein Austausch mit privaten Sicherungssystemen und Vorsorgeinstrumenten möglich sein.
  • Einsatz moderner Technologien: Blockchain und künstliche Intelligenz bieten große Potentiale, unsere Sozialen Sicherungssysteme für die Zukunft aufzustellen. Während Estland große Teile seiner Verwaltung seit Jahren über die Blockchain organisiert, hält man hierzulande das papierlose Büro für den Gipfel der Digitalisierung. So könnten aber gerade über die Blockchain Versicherungsansprüche fälschungssicher und in Echtzeit abgebildet werden, ohne dabei Verwaltungsaufwand zu verursachen. Das ist ein großer Vorteil, wenn sich verschiedene Formen der Erwerbstätigkeit in immer kürzeren Abständen abwechseln. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz kann beispielsweise Bewerber-Job-Matchings der Bundesagentur für Arbeit erheblich verbessern.
  • Lösungen für Freelancer und Selbstständige: Diskussionen über eine Versicherungspflicht von Selbstständigen in der Rentenversicherung, das bürokratische und ineffiziente Statusfeststellungsverfahren aber auch komplexe und für Außenstehende schwer verständliche Subsysteme wie die Künstlersozialkasse zeigen: Unseren sozialen Sicherungssystemen fehlen bisher schlüssige Antworten für Selbstständige und Freelancer. Dabei steigt der Anteil an Menschen, die sich bewusst gegen die Rolle als Angestellter entschieden haben und stattdessen als Freelancer auf eigene Rechnung tätig sind, stetig an, ebenso wie der Anteil an Menschen, bei denen sich Phasen der Selbstständigkeit und Phasen als Angestellter abwechseln. Der Staat darf die Kreativität von Freelancern und die Verantwortungsübernahme von Selbstständigen nicht durch eine Versicherungspflicht zunichtemachen. Darüber hinaus setzen sich die Freien Demokraten für eine einkommensgenaue Berechnung der Beiträge auf tatsächlich erwirtschaftetes Einkommen aus Selbstständigkeit in den sozialen Versicherungssystemen für freiwillig Versicherte ein, ohne unterstelltes Einkommen aufgrund eine Mindestbemessungsbeitrages.

VI. Der Staat muss bei New Work vorangehen

Der Staat muss selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Wo Menschen als Freelancer von zuhause für Projekte in aller Welt arbeiten können, darf die Anmeldung des Gewerbes dafür nicht zum Papierkrieg mit Behördengängen werden. Land, Bund und Kommunen müssen aber auch als Arbeitgeber selbst New Work leben.

Die FDP Niedersachsen setzt sich dafür ein:

  • Digitalisierung und New Work in der Verwaltung: Allzu oft steht am Ende einer vermeintlich digitalen Verwaltung immer noch eine ausgedruckte Akte. Der Staat darf sich außerdem neuen Erkenntnissen über effizientes Arbeiten nicht verschließen. Auch im Öffentlichen Dienst muss das Arbeiten in Projektgruppen und über verschiedene Disziplinen hinweg gefördert und ausgebaut werden.
  • Bürgerservice durch Digitalisierung: Der Staat speichert heute zahlreiche Daten über seine Bürger an unterschiedlichen Stellen. Statt dieses Wissen mit den Betroffenen zu teilen, um staatliche Aufgaben effizienter zu erledigen, müssen Antragsteller längst vorhandene Informationen erneut an staatliche Stellen übermitteln. Ob bei der Steuererklärung oder beim BAföG-Antrag – soweit dem Staat die nötigen Informationen bereits vorliegen, soll die zuständige Behörde dem Antragsteller beispielsweise die Steuererklärung oder den BAföG-Antrag vorausgefüllt zur Verfügung stellen. Bei Änderungsbedarf meldet sich der Antragsteller bei der Behörde.
  • Datenschutz in der digitalen Verwaltung: Nicht nur bei der Datenverarbeitung, sondern auch beim Schutz personenbezogener Daten muss der Staat neue Wege gehen. Nach den Vorbild Estlands soll jede Bürgerin und jeder Bürger über ein digitales Bürgerkonto verfügen. Darüber muss jederzeit einsehbar sein, welche personenbezogenen Daten der Staat von einem selbst gespeichert hat. Über jeden Zugriff auf diese Daten muss eine Information erfolgen, die zumindest mit einer kurzen Begründung – bspw. mit dem Stichwort „Steuererklärung“ – versehen werden muss. Auf Nachfrage hat innerhalt einer angemessenen Frist eine ausführliche Begründung zu erfolgen.
  • Staat als Arbeitgeber: Der Öffentliche Dienst muss ein neues Verständnis als moderner Arbeitgeber entwickeln, etwa um für hochspezialisierte Tätigkeiten die richtigen Fachleute zu finden. Dazu gehört, dass Mitarbeiter mehr Verantwortung bekommen und dass Weiterqualifizierung und Aufstieg im Laufbahnrecht vereinfacht werden müssen. Die Möglichkeit, durch Leistung und Weiterbildung aufzusteigen, muss in den Stellenplänen einzelner Behörden auch tatsächlich abgebildet werden. Der Wechsel zwischen Öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft muss vereinfacht werden, etwa durch einen Ausbau des Altersgeldes, mit dem schon heute die versorgungsrechtlichen Ansprüche freiwillig aus dem Beamtenstatus ausscheidender Beamter abgegolten werden können.
  • Funktionierende öffentliche Einrichtungen: Gerichte, Krankenhäuser, Schulen und andere öffentliche Einrichtungen und Institutionen müssen sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren und sich auf eine funktionierende Soft- und Hardwareinfrastruktur verlassen können. Dafür haben deren Träger IT-fachkundiges Personal (IT-Administratoren) in den Institutionen oder zentral zur Verfügung zu stellen, die auch den Datenschutz sichern. Zusätzlich muss für die Mitarbeiter dieser Einrichtungen Unterstützung bei der praktischen Anwendung der digitalen Medien leicht erreichbar sein („Helpdesk“). Außerdem sehen wir die Digitalisierung der Verwaltung als wichtige Strategieaufgabe. Dafür wollen wir beispielsweise auf Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte einen CDO (Chief Digital Officer) in Dezernentenrang etablieren, der strategisch die Digitalisierung koordiniert und entwickelt. Dort wo möglich und sinnvoll, wollen wir zentrale Entwicklungen und Services digitaler Infrastruktur auf Landes- und Bundesebene fördern.