Verantwortlicher Umgang mit radioaktiven Reststoffen

Der Landesvorstand hat beschlossen:

Präambel

In Deutschland entstehen durch Kernkraftwerke und sonstige kerntechnische Anlagen, in der Industrie und Medizin sowie bei der Forschung radioaktive Reststoffe und radioaktiver Abfall. Diese Stoffe sind je nach Aktivierungsgrad unterschiedlich klassifiziert und weisen damit einen unterschiedlichen Grad der Gefährlichkeit auf. Je größer die Aktivität der Stoffe und die Höhe der Strahlendosis sind, desto schädlicher sind die Auswirkungen auf Menschen, Tiere und die Biosphäre. Die FDP bekennt sich daher zum Grundsatz der Strahlungsminimierung und für einen effizienten Strahlenschutz.

Aufgrund der Intensität der Strahlung und der öffentlichen Diskussion zum kerntechnischen Abfall definiert die FDP für die Debatte die im Folgenden genannten Handlungsempfehlungen und setzt damit wesentliche Punkte für eine verantwortliche und sachgerechte Lösung der real vorhandenen Problematik in Bezug auf radioaktive Reststoffe. Ausdrücklich bekennt sich die FDP zum Ausstieg aus der Kernenergie.

Ziel der FDP ist es, dass radioaktive Reststoffe

  • dauerhaft kontrolliert der Biosphäre entzogen,
  • sicher dem unbefugten Zugang Dritter vorenthalten werden und
  • keine Menschen und andere Lebewesen gefährden.

Von besonderer Bedeutung sind die hochradioaktiven Abfälle, die bis zum Jahr 2040 ungefähr ein Volumen von 29.030 Kubikmetern ausmachen werden (Prognose des Bundesamtes für Strahlenschutz). Die FDP setzt sich dafür ein, dass die Diskussion zur Entscheidung, wie mit diesen Materialien umgegangen werden soll, nach folgenden Regeln geführt werden soll:

  • Transparenz: In jedem Fall muss die Diskussion offen und transparent geführt werden. Dabei müssen auch unangenehme Konsequenzen zur Sprache kommen und dürfen kein Tabu darstellen.
  • Fairness und Ergebnisoffenheit: Eine Diskussion kann nur dann ein allgemein akzeptiertes Ergebnis haben, wenn die Argumentation fair und wertschätzend ist. Die FDP wird sich erst nach dem Diskussionsprozess, der im gesellschaftlichen Konsens unter Einbeziehung der Wissenschaft festgelegt werden soll, entscheiden, welches die geeignete Methode für den Umgang mit radioaktiven Reststoffen ist. Bis dieser Prozess ein Ergebnis gebracht hat, wird die FDP die ergebnisoffene Prüfung ohne Vorfestlegung unterstützen.
  • Kompromissorientierung: Keiner der Diskussionspole verfügt über die absolute Wahrheit. Daher sind gesellschaftliche Kompromisse notwendig, um am Ende ein Ergebnis zu erhalten, welches eine nachhaltige Lösung garantiert. Denn allen beteiligten Akteuren muss auch die Tragweite bewusst sein, wenn keine Lösung für den Umgang mit radioaktiven Reststoffen gefunden wird. Bei der Sicherheit der Bevölkerung dürfen keinerlei Kompromisse gemacht werden.
  • Parallelität: Eine fundierte Entscheidung auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse setzt voraus, dass verschiedene Lösungsansätze parallel geprüft, bewertet und vorbereitet werden. Nur durch das Sammeln von Wissen und Erfahrung ist eine Vergleichbarkeit für die Bewertung gegeben.
  • Kosten: Die Kosten für die Beseitigung der radioaktiven Reststoffe sowie die Kosten für den gesellschaftlichen Diskussionsprozess sind durch die Verursacher zu tragen. Im Interesse einer notwendigen Lösung für das Problem, sind die Umlagen für den Diskussionsprozess zu deckeln. Denn es ist niemandem geholfen, wenn in zehn oder 20 Jahren immer noch keine Lösung gefunden ist.

Im Folgenden werden Aussagen getroffen, auf deren Basis der Diskussionsprozess gestaltet werden kann. Die Aussagen sind keine Vorfestlegung für eine bestimmte Alternative.

Alternativen zur konventionellen Endlagerung / Langzeitzwischenlagerung

Es besteht die Möglichkeit, kein geeignetes Endlager oder kein geeignetes Konzept zur Langzeitzwischenlagerung zu finden. Bereits heute muss daher an Alternativen gearbeitet und geforscht werden, die in diesem Fall Antworten geben können. Die FDP fordert:

  • eine Verstärkung der Forschungsaktivitäten im Bereich der Umwandlung von langlebigen radioaktiven Stoffen durch die Transmutation zur Reduzierung des Volumens bzw. zur Verringerung der Strahlungsdauer. Nach Möglichkeit sind diese Aktivitäten international zu bündeln.
  • zu prüfen, inwiefern es denkbare Ansätze der Endlagerung gibt, die aktuell technisch nicht realisierbar sind, aber durch technologischen Fortschritt realisierbar werden könnten, z.B. Endlagerung in großen Tiefen deutlich unter 1.000 m, etc..
  • eine Grundlagenforschung nach alternativen Verwendungs- oder Verwertungsmethoden für die heute noch keine realistische Option besteht.

Langzeitzwischenlagerung

Aktuell werden abgebrannte Kernbrennstäbe an Zwischenlagern der Kernkraftwerke sowie an den zentralen Zwischenlagern Gorleben, Ahaus und Lubmin aufbewahrt. Diese sind nicht für die Langzeitzwischenlagerung ausgelegt.

  • Daher soll ein Konzept erarbeitet werden, wie ein oberirdisches oder unterirdisches Zwischenlager für 100 Jahre aussehen könnte.
  • Wenn radioaktive Reststoffe rückholbar gelagert werden, dann ist dieses für die FDP eine Langzeitzwischenlagerung. Daher sind hierzu auch Bedingungen zu definieren, die eine sichere Lagerung, z.B. in Bezug auf Flugzeugattacken, Bombenwurf, Flut und Erdbeben, ermöglichen.
  • Die Forschung soll parallel durchgeführt werden.

Suche nach einem Endlagerstandort

Die FDP schlägt das folgende vierstufige Verfahren für eine Suche nach einem Endlagerstandort vor:

  1. Bundestag und Bundesrat setzen Sachverständige ein, die Kriterien empfehlen, die die Standorte erfüllen müssen, damit diese als Endlager in Betracht kommen können. Anschließend Anwendung der Kriterien zur Identifizierung dieser Standorte.
  2. Diskussion mit Gemeinden und Städte, auf deren Gebiet Standorte identifiziert wurden.
  3. Bewertungsphase: Für die Bewertungsphase wird ein hinreichendes Budget aus einem allgemeinen Fond zur Verfügung gestellt, der von der politischen Einheit im Sinne der Bewertung des Standortes zweckgebunden verwendet werden darf.
  4. Die Bundesregierung kann dann in Abstimmung mit weiteren betroffenen politischen Ebenen dem Wunsch der lokalen Ebene entsprechen und weitere Erkundungsmaßnahmen einleiten.
  • Bei der Suche und Festlegung der Kriterien sowie bei der Bewertung von Endlagerstandorten sind verschiedene geologische Formationen zu betrachten. Denn nur so kann eine Aussage über das bestmögliche Endlager getroffen werden.
  • Die Endlagersuche ist generell unter Beteiligung der Öffentlichkeit zu führen. Alle Dokumente und Vorgänge sind zu veröffentlichen. Denn Information ist der Schlüssel für eine sachgerechte Bewertung.
  • In der Endlagerung ist die Entwicklung zukünftiger Generationen ein wesentlicher Faktor. Diese Entwicklung kann nicht festgesetzt werden und ist daher immer von Unsicherheit geprägt. Diese besteht zum Beispiel beim Problembewusstsein, dem technischen Handling mit hochradioaktiven Stoffen oder beim Informationsverlust. Das heute vorhandene Wissen droht mit dem Ausstieg unterzugehen. Hierfür sind Lösungsvorschläge zu erarbeiten.

Rückbau kerntechnischer Anlagen

Eine besondere Herausforderung stellt der Rückbau von kerntechnischen Einrichtungen dar. Auch wenn nur ca. 1 % der gesamten Masse eines Kernkraftwerkes hochradioaktiv sind, ist während des gesamten Rückbauprozesses (der mehrere Jahrzehnte betragen kann) und bei vorhandenen radioaktiven Reststoffen der höchste Sicherheitsstandard zu wahren. Vor dem Hintergrund des Ausstiegsbe­schlusses setzt sich die FDP daher dafür ein, dass:

  • die notwendige ingenieurstechnische Kompetenz für den Rückbau der Kernkraftwerke sichergestellt ist;
  • die Erforschung von Methoden und Prozessen forciert wird;
  • die Unternehmen mit entsprechender Kompetenz auch in anderen Staaten ihre Leistungen anbieten und damit zu einem sicheren Rückbau beitragen können.