Wer lesen kann, ist klar im Vorteil! – Für eine liberale Leseoffensive
Der Landesparteitag hat beschlossen:
Wer ein Buch liest erweitert nicht nur seinen Horizont, sondern kann auch seinen Wortschatz vergrößern sowie Ausdruck und Leseverständnis verbessern. Doch Bücher sind noch viel mehr als bloße Vermittler von Wissen und Archive der Geschichte. Bücher können die Welt verändern. Revolutionäre Ideen wie Freiheit und Marktwirtschaft nahmen dort ihren Anfang. Sie können uns faszinieren und begeistern, lassen uns eintauchen in andere Welten oder die Sichtweise und Erlebnisse eines anderen Menschen. In George R.R. Martins „Das Lied von Eis und Feuer“ heißt es: „Ein Leser durchlebt tausend Leben, ehe er stirbt, […] der Mann, der nie liest, lebt nur sein eigenes.”
Es ist daher beunruhigend, dass – gerade unter jungen Menschen – immer weniger gelesen wird. Deshalb müssen wir eine Strategie entwickeln, um das Kulturgut Buch zu stärken und die Begeisterung für dieses Medium – egal ob als E-Book oder Printfassung – wieder zu entfachen. Nicht mit Zwang und auch nicht gegen andere – moderne wie klassische – Medien, sondern mit positiven Anreizen, mit Bildung und stärkerer Teilhabe, denn es gilt: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil!
Am Anfang steht die Bildung
Wir wollen schon bei den Kleinsten beginnen und ein Bewusstsein für den Wert und den Einfluss von Literatur schaffen. Grundvoraussetzung dafür ist zunächst ein ausreichendes Leseverständnis in der Grundschule zu vermitteln. Jedes Kind in Niedersachsen ist einzigartig. Deshalb setzen wir vor allem auf den Einfallsreichtum und die Kreativität der Lehrkräfte vor Ort.
Mit einem neuen Förderprogramm wollen wir jeder Grundschule ein Budget zur Leseförderung bereitstellen, über das sie frei verfügen kann. So können z.B. Lesenächte, Bibliotheksbesuche, Lernprogramme wie Antolin, Lesestrategietrainings, Lesestunden von Autoren oder sogar die Anschaffung einer kleinen Schulbibliothek finanziert werden. Jedes gelesene Buch hilft dabei, das Leseverständnis zu verbessern. Um einen Anreiz für freiwilliges Lesen zu schaffen, setzen wir auf Programme wie Antolin oder Lesetagebücher. Das Führen eines Lesetagebuchs sollte für alle Schülerinnen und Schüler der dritten, vierten und fünften Klasse Standard werden. Im Tagebuch sollen in regelmäßigen Abständen gelesene Bücher oder bei längeren Büchern auch einzelne Kapitel zusammengefasst werden. Somit erhält die Lehrkraft einen Einblick in die Lesekompetenz und kann die Schülerinnen und Schüler individuell fördern und fordern. Ebenso sollen freiwillig – über die Pflichtlektüre hinaus – gelesene Bücher positiv in die Deutschnote miteinfließen.
Lesen soll Spaß machen. Doch auf die Frage, wie Jugendlichen das Gros der im Deutschunterricht zu lesenden Bücher gefällt, wird die Antwort wohl recht ernüchternd ausfallen. So entsteht gerade keine Wertschätzung gegenüber Büchern, sondern vielmehr Abneigung. Deshalb muss dem Interesse der Schülerinnen und Schüler bei der Auswahl, der im Unterricht zu behandelnden Literatur, eine größere Bedeutung eingeräumt werden. Statt fester Lehrplanvorgaben, welches Buch wann zu lesen ist, sollen die Lehrerinnen und Lehrer künftig aus einer größeren Auswahl an Büchern wählen können. Entscheidend ist nicht das Wissen über ein konkretes Buch, sondern die Kompetenz Bücher unterschiedlicher Epochen und Genres analysieren und interpretieren zu können. Entsprechend der größeren Auswahl an Literatur muss auch die Anzahl der gestellten Abiturklausuren im Fach Deutsch steigen. Die Lehrkraft trifft dabei eine Vorauswahl für ihre Schülerinnen und Schüler, indem sie Klausuren zu nicht behandelten Werken aussortiert.
In Deutschland leben ca. 2,3 Mio. Analphabeten und 7,5 Mio. funktionale Analphabeten, d.h. Menschen, die zwar eigentlich lesen können, aber bei längeren Texten Schwierigkeiten bekommen. Bereits heute gibt es viele Hilfsangebote für Analphabeten, die es auszubauen gilt. So muss das Online-Lerntool “Ich will lernen” dringend modernisiert und zusätzlich als App veröffentlicht werden. Aktuell können Kurse über Bildungsgutscheine der Agentur für Arbeit finanziert werden, doch davon können nicht alle profitieren, da die meisten Analphabeten bereits in Beschäftigung sind. Für diese bleibt häufig nur die Bildungsprämie, die aber maximal 50% der Kosten deckt. Das Erlernen einer so wichtigen Fähigkeit darf jedoch nicht vom Geldbeutel abhängig sein, weshalb künftig 100% der Kosten vom Staat getragen werden müssen. Das Land Niedersachsen muss hier Vorpreschen.
Kulturelle Teilhabe unabhängig vom Einkommen
Der Zugang zu Literatur muss Menschen aus allen Einkommensschichten offenstehen. Deshalb bedarf es einer flächendeckenden Versorgung mit öffentlich zugänglichen Bibliotheken, die ein breites Angebot bereitstellen und auch am Sonntag geöffnet haben. Der Zutritt sollte dabei grundsätzlich gebührenfrei und mögliche Leihgebühren niedrig sein. Minderjährige sowie Schülerinnen und Schüler, Studierende und Azubis sollten von jeglichen Gebühren freigestellt werden. Hier steht das Land Niedersachsen in der Verantwortung, die Kommunen nicht allein zu lassen und notwendige Fördermittel bereitzustellen.
Vielerorts gibt es bereits sog. Büchertauschregale, in denen eigene nicht mehr benötigte Bücher gegen Bücher, die zuvor andere dort hinterlegt haben, eingetauscht werden können. Wir wollen, dass die Kommunen dieses Instrument viel stärker nutzen.
70 Jahre nach dem Tod des Autors erlischt das Urheberrecht, womit Bücher gemeinfrei und von jedem beliebig veröffentlicht und vervielfältigt werden können. Deshalb wollen wir ein Online-Portal für gemeinfreie Bücher schaffen, auf dem diese in digitaler Form veröffentlicht und so für jeden einfach und kostenlos zugänglich werden.
Ohne Autoren keine Bücher
Bevor ein Werk gelesen werden kann, muss es erst geschrieben werden. Deshalb muss, wer Literatur fördern will, ebenfalls ihre Schreiberlinge fördern. Auch hier müssen wir in der Schule beginnen. Jedes Kind steckt voller Ideen, die nur darauf warten sich entfalten zu können. Zu keinem Zeitpunkt der Schullaufbahn darf sich der Deutschunterricht nur auf die Beschäftigung mit fremden Texten beschränken. Wir wollen kreativem Schreiben, ob von Geschichten, Essays, Kommentaren oder Lyrik, ein viel größeres Gewicht einräumen.
Nach dem Vorbild der Mathematik-Olympiade wollen wir eine Literatur-Olympiade schaffen, die jährlich stattfindet und Einzelwettbewerbe in einer Vielzahl literarischer Genres umfasst.
Schließlich wollen wir auch Schülerzeitungen fördern, indem wir jeder Schule die notwendige Software bereitstellen hochwertige digitale Zeitschriften anzufertigen. Zusätzlich soll an jeder Schule halbjährlich ein Journalismus-Workshop durchgeführt werden, damit interessierte Schülerinnen und Schüler wichtige Grundlagen erlernen. Die Mitarbeit an einer Schülerzeitung sollte sich auch in der Deutschnote wiederspiegeln. So fördern wir Talente von Beginn an, denn warum sollte die nächste Joanne K. Rowling oder der nächste George R. R. Martin eigentlich nicht aus Niedersachsen kommen?