Christian Dürr: Beim Bürgergeld brauchen wir mehr Sanktionen
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr gab „rp-online.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellten Birgit Marschall und Kerstin Münstermann.
Frage: Herr Dürr, wird der Bundeshaushalt nach monatelangem Koalitionsstreit nun kommende Woche politisch stehen?
Dürr: Es wird einen geeinten Haushalt geben, und wir geraten auch nicht unter Zeitdruck, sondern können die Fristen im Bundestag und Bundesrat alle einhalten.
Frage: Woher rührt Ihr Optimismus?
Dürr: Das Wichtigste ist, Prioritäten zu setzen. Man kann sich nicht alle Wünsche erfüllen. Schwerpunkte dieses Haushalts werden auf der Verteidigungspolitik, der inneren Sicherheit, der Infrastruktur und der Bildung liegen. Um das auch in Zukunft zu finanzieren, brauchen wir die Wirtschaftswende. Alles mit Geld aus Schulden zuzuschütten, lehnen wir dagegen ab. Zwei Drittel der Ressorts in der Regierung haben ja schon ihren Haushalt für 2025 aufgestellt und sich an die Vorgaben gehalten. Der Rest wird folgen, da bin ich sicher.
Frage: Die SPD hat zur Haushaltskonsolidierung vorgeschlagen, Bürgergeld-Empfängern, die schwarz arbeiten, die Leistung für zwei Monate zu streichen. Reicht das?
Dürr: Den Vorstoß begrüße ich. Beim Bürgergeld müssen wir aber noch weiter gehen und für mehr Arbeitsanreize sorgen, etwa durch zielgenaue Sanktionen. Es muss gelingen, mehr Menschen in reguläre Arbeit zu bringen, damit wird auch der Haushalt entlastet. Deshalb sollten wir auch die Hinzuverdienstgrenzen beim Bürgergeld weiter anheben, damit es für Menschen attraktiver wird, einen Job anzufangen.
Frage: Im letzten Dezember gab es einen Kommunikations-Gau, weil die Regierungsspitzen geplante Kürzungen nicht gut erklärt haben. Damals gingen wütende Bauern auf die Straßen. Wiederholt sich das nun?
Dürr: Zum Jahreswechsel standen die Spitzen der Regierung durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im November stark unter Druck. Diesmal sind wir in einem geregelten Verfahren, da gibt es schon rein zeitlich mehr Spielräume.
Frage: Auch FDP-Verkehrsminister Volker Wissing muss sparen. Es gibt Berichte über Kürzungen bei Autobahnen und der Bahn. Was ist da dran?
Dürr: Klar ist, dass wir die Straße auskömmlich finanzieren müssen. Da führt kein Weg dran vorbei. 80 Prozent der Mobilität geht hierzulande über die Straße. Das ist auch ein Wirtschaftsfaktor und betrifft Pendler genauso wie Betriebe. Gleichzeitig werden wir die Bahn ausreichend finanzieren.
Frage: Mehr private Investitionen sollen nach Wissings Plänen in die Infrastruktur fließen, dafür schlägt er einen staatlich abgesicherten neuen Investitionsfonds vor. Kommt der nun?
Dürr: Wir haben schon in der Vergangenheit Autobahnen mit einer Mischung aus privatem und öffentlichem Kapital finanziert. Über mehr von diesen Öffentlich-Privaten Partnerschaften sollten wir jetzt auch in der Koalition sprechen – freilich stets bei Einhaltung der Schuldenbremse.
Frage: Was machen Sie gegen die Wirtschaftsschwäche?
Dürr: Es hat jahrelang keine Reformen gegeben unter der Regierung Merkel. Das ändert die Ampel. Planungsbeschleunigung und Bürokratieabbau sind bereits auf dem Weg. Ich erwarte auch von der neuen und alten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dass sie in Brüssel radikal umsteuert, und die Umkehr „Weg vom Bürokratismus hin zu wirtschaftlicher Dynamik“ hinbekommt.
Frage: Gesteht Kanzler Olaf Scholz den strukturellen Handlungsbedarf ein?
Dürr: In seiner jüngsten Regierungserklärung sprach der Kanzler von einem Wachstumsturbo. Da gibt es ganz klar eine Bereitschaft von allen drei Koalitionspartnern.
Frage: Was wird der Wachstumsturbo oder das Dynamisierungspaket enthalten, mit dem die Regierung die Wirtschaft ankurbeln will?
Dürr: Ich wünsche mir ein Paket, das das Wachstumspotenzial spürbar nach oben bringt – am besten verdoppelt. Das Wachstumspaket sollte sich daran messen lassen, dass wir damit wieder vorne in der Champions League mitspielen können.
Frage: Aber wie? Durch mehr Arbeitsanreize für ältere Menschen und Frauen?
Dürr: Ich begrüße sehr, dass jetzt auch die SPD über einen flexibleren Renteneintritt nachdenkt. Wir sind zu starr unterwegs mit der Rente mit 63 oder 67. Davon müssen wir wegkommen. Schweden ist damit sehr erfolgreich, viele Menschen arbeiten länger. Wenn wir im geplanten Wachstumspaket Anreize für freiwilliges längeres Arbeiten setzen, gehen wir einen ersten Schritt in die richtige Richtung.
Frage: Mit dem Rentenpaket II, dem die FDP zustimmt, werden die Rentenbeiträge schneller steigen. Warum soll das ein Beitrag für mehr Wachstum sein?
Dürr: Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik machen wir es mit dem Rentenpaket möglich, dass künftig auch Menschen mit geringerem Einkommen von Renditen am Kapitalmarkt profitieren werden, indem wir die Aktienrente einführen…
Frage: …die aber doch erst ab 2036 dazu beitragen kann, die Rentenbeiträge um einige Zehntelpunkte zu dämpfen!
Dürr: Natürlich müssen wir dafür sorgen, dass die Rentenbeiträge bis dahin nicht exorbitant steigen…
Frage: … aber sie steigen doch exorbitant! Laut Gesetzentwurf zum Rentenpaket auf 22,3 Prozent bis Mitte der 2030-er Jahre…
Dürr: Es gibt außer der FDP leider keine andere Bundestagspartei, die für eine langfristig solide Rentenpolitik steht. Insbesondere die Volksparteien versprechen älteren Menschen gerne viel, ohne für die langfristige Finanzierung zu sorgen. Stichworte Rente mit 63 und Mütterrente. Die Rente wird freilich nicht dadurch sicherer, dass ein Rentenniveau nur versprochen wird. Sie wird nur dann sicherer, wenn wir uns an Reformen herantrauen und dafür wirbt die FDP. Zudem dürfen wir nicht weiter eine so hohe Migration in den Sozialstaat zulassen.
Frage: Was schwebt Ihnen in der Migrationspolitik vor?
Dürr: Wenn Menschen nach Deutschland kommen, sollen sie in den Arbeitsmarkt kommen, wo sie dringend gebraucht werden – nicht in den Sozialstaat. Die Ampel hat ein modernes Einwanderungsrecht geschaffen, das dem Kanadas sehr ähnlich ist. Aber in der Praxis wird es kaum umgesetzt. Ich bin stinksauer, dass die Bundesländer ihre Versprechen nicht einhalten, zum Beispiel bei der Digitalisierung der Ausländerbehörden. Die Umsetzung unserer guten Gesetze funktioniert noch nicht so, wie es in einem modernen Einwanderungsland sein muss.
Frage: Was fordern Sie von den Ländern?
Dürr: Meine herzliche Bitte an die Ministerpräsidenten ist, die Migrationssteuerung endlich zur Chefsache zu machen. Wir müssen es schaffen, dass es leichter ist in den deutschen Arbeitsmarkt zu kommen als in den Sozialstaat. Ich höre oft, dass es umgekehrt ist: Asylsuchende werden durchgewunken. Aber wenn jemand arbeiten will, wird es ihm schwer gemacht.
Frage: Wir hatten in den letzten Wochen den Eindruck, die Ampel könnte am Haushalt zerbrechen. Hält sie nun doch?
Dürr: Das Regieren in der Koalition ist herausfordernd. Wenn ich als Schulkind nach Hause gekommen bin, wusste ich manchmal, das wird kein schöner Nachmittag wegen der schwierigen Hausaufgaben. Aber dann arbeitet man sich dennoch durch. Auf dem Hausaufgabenzettel der Ampel steht noch einiges drauf. Frühere Regierungen haben Konflikte einfach mit dem Geld der Steuerzahler zugeschüttet, indem sie die Schulden erhöht haben. Das machen wir anders.
Frage: Im Bundestag geht die FDP mit der Union nicht zimperlich um, sondern gehört zu ihren härtesten Kritikern. Verschlechtert das die Chancen der Liberalen auf eine Regierungsbeteiligung ab 2025?
Dürr: Ich habe beste Erfahrungen in Niedersachsen mit einer schwarz-gelben Koalition gemacht. Ich wünsche mir, dass wir im Bund wieder eine CDU haben, die nicht nur sagt, was sie alles rückabwickeln will, wenn sie an die Macht käme. Ich wünsche mir eine Union, die wieder die Ärmel hochkrempelt und nach Innovation strebt.