Konstantin Kuhle: ”Letzte Generation”, gründet endlich eine Partei!
Die Aktivisten der “Letzten Generation” sind mit den Ergebnissen demokratischer Prozesse unzufrieden. Wenn es ihnen ernst ist, sollten sie eine Partei gründen.
Ein Gastbeitrag.
Konstantin Kuhle MdB, Landesvorsitzender der FDP Niedersachsen, hat gemeinsam mit der Bundesvorsitzenden der Jungen Liberalen (JuLis) Franziska Brandmann den folgenden Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) geschrieben:
Mit dem Festkleben auf vielbefahrenen Straßen fing es an. Das scheint der sogenannten Letzten Generation aber nicht mehr zu reichen. Deshalb macht die Aktivistengruppe jetzt mit neuen Aktionen auf sich aufmerksam. Im März beschmierten ihre Mitglieder eine Skulptur, die zu Ehren des Grundgesetzes in der Nähe des Bundestages errichtet worden ist. Nun haben sie den Eingang zur FDP-Parteizentrale mit Farbe übergossen. Immer dabei: Fotografen, die diese Aktionen festhalten, damit sie in den Medien vermarktet werden können. Wenn es um Öffentlichkeit geht, dann macht den selbsternannten Klima-Aktivisten so schnell niemand etwas vor.
Aber ist Öffentlichkeitswirksamkeit der richtige Indikator für erfolgreichen Aktivismus? Angesichts der Menschheitsaufgabe einer wirksamen Bekämpfung des Klimawandels wäre ein breiter gesellschaftlicher Zuspruch für eine Auseinandersetzung mit dem Thema weitaus wichtiger. Genau hier sind die Aktivitäten der “Letzten Generation” nicht von Erfolg gekrönt. Wer die deutsche Verfassung in den Dreck zieht oder missliebige demokratische Parteien schikaniert, macht aus Klimaschutz ein radikales Nischenthema. So hat sich selbst Fridays for Future in einem Presse-Statement von den Aktionen der “Letzten Generation” distanziert und darauf verwiesen, dass gute Klimapolitik auf gesamtgesellschaftliche Lösungen angewiesen sei. Das klingt nicht nach großem gesellschaftlichem Zuspruch.
Als Demokraten sind wir davon überzeugt, dass in demokratischen Prozessen darüber entschieden werden sollte, welchen Weg unser Land einschlägt. Das ist nicht immer der schnellste Weg, um politische Veränderungen zu erreichen. Aber es ist der einzige Weg, der dabei die Rechte und Perspektiven möglichst vieler Menschen berücksichtigt und respektiert. Wer mit den Ergebnissen dieser Prozesse nicht zufrieden ist, dem steht es frei, gegen sie zu protestieren. Dabei auf Nötigungen und Sachbeschädigungen zurückzugreifen, ist nicht nur kriminell, sondern offenbart auch eine gefährliche Abkehr vom demokratischen Diskurs. Denn dieses Verhalten duldet keinen Widerspruch. Die Protestformen der “Letzten Generation” zielen nicht zufällig auf eine Grundgesetz-Skulptur oder die Parteizentrale einer demokratischen Partei. Sie sollen unsere Demokratie verächtlich machen. Offensichtlich sind die selbsternannten Klimaaktivisten der Auffassung, die Demokratie behindere sie in ihrem Anliegen eines wirksamen Klimaschutzes. Die breite Mehrheit dieses Landes sieht das anders. Um wirksamen Klimaschutz zu betreiben, brauchen wir eine starke Demokratie – gerade sie ermöglicht uns, gemeinsam mehr Klimaschutz zu erreichen.
Demokratische Prozesse verlangen von politischen Akteuren, dass diese sich auf die Suche nach Mehrheiten begeben. Wer politische Mehrheiten erringen will, muss sich zwangsläufig auch mit Menschen beschäftigen, die mitunter anders ticken als man selbst. Auf diese Weise lassen sich Mehrheiten für mehr Klimaschutz erreichen. Die Einführung eines 49-Euro-Tickets oder der Ausbau der Bahninfrastruktur mögen der “Letzten Generation” nicht ausreichen. Aber es handelt sich um Maßnahmen, die in der Realität stattfinden und von der demokratischen Mitte unseres Landes getragen werden. Wer mehr oder andere Maßnahmen will, darf demokratische Mitbewerber nicht mit Farbe übergießen, sondern muss um Wählerstimmen ringen.
Kürzlich wurde berichtet, die “Letzte Generation” plane die Gründung einer Partei. Das wäre der richtige Weg. Gründet eine Partei, werbt für eure Maßnahmen, sucht nach einer Mehrheit, die euren Weg unterstützt und euch wählt. Den demokratischen Diskurs verächtlich machen, das kann jeder. Sich ihm stellen und in ihm zu bestehen – das ist das Kunststück. Neben der Gründung einer eigenen Partei bietet sich auch immer die Mitarbeit in den bereits existierenden demokratischen Parteien an. Dabei besteht allerdings die Gefahr, dass man Menschen von der eigenen Meinung überzeugen muss, die anders sind als man selbst. Was für ein großartiges System!