Unabhängige Energieversorgung sichern - Potenziale im Land nutzen

Die Reduktion der Gasliefermenge aus Russland nach Deutschland hat die Gaspreise in den letzten Monaten stark steigen lassen. Aber auch die Preise für elektrischen Strom steigen immer weiter und belasten die Menschen und Betriebe zunehmend. Der Beschluss "Unabhängige Energieversorgung sichern – Potenziale im Land nutzen" des Präsidiums der FDP vom 5. September 2022 enthält daher Maßnahmen für eine Energieversorgungsstrategie, die eine verlässliche, sichere und bezahlbare Energieversorgung im kommenden Winter und darüber hinaus ermöglicht.

Die Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine haben deutlich gemacht, wie abhängig Deutschland von Energieimporten aus dem Ausland ist. Die Strategie, einerseits zeitgleich aus der Kernenergie und der Kohleverstromung auszusteigen und andererseits die Abhängigkeit von russischem Gas zu erhöhen, hat uns in eine sehr schwierige Lage manövriert. Wladimir Putin setzt das Drosseln der Gasexporte nun gezielt als Waffe ein. Die Reduktion der Gasliefermenge von Russland nach Deutschland hat die Gaspreise in den letzten Monaten stark steigen lassen. Aber auch die Preise für elektrischen Strom steigen immer weiter. Eine erhöhte Nachfrage – vor allem durch die Elektrifi-zierung der Mobilität – und ein sinkendes Angebot an sicherer Grundlast-Energie – durch das Abschalten von Kohle- und Kernkraftwerken – würden die Preise immer weiter steigen lassen. Die Energiepreise treiben die Inflation und belasten Menschen und Unternehmen zunehmend. Existenzen und Arbeitsplätze sind in Gefahr. Energie darf nicht zum Luxusgut werden. Deshalb haben die drei Koalitionsparteien zusätzlich zu den beiden schon beschlossenen Entlastungspaketen jetzt ein umfangreiches drittes Paket geschnürt. Wir sind überzeugt, dass die vereinbarten Maßnahmen – wie die Strompreisbremse – wirken und Menschen und Unternehmen in Deutschland spürbar entlastet werden.

Neben der Bezahlbarkeit der Energie gilt es aber auch, verstärkt die Verlässlichkeit der Energieversorgung in den Blick zu nehmen. Deshalb braucht unser Land zusätzlich eine Energieversorgungsstrategie. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien allein kann unser Energieproblem kurz- und mittelfristig nicht lösen. Die Menschen und Unternehmen in Deutschland brauchen heute und morgen eine sichere, bezahlbare und verlässliche Energieversorgung. Es gilt jetzt, Blackouts und einen kalten Winter in den Wohnungen zu verhindern. Sparappelle und Verzichtsforderungen sind in einem Industrieland wie Deutschland kein Ersatz für eine Energieversorgungsstrategie. Deutschland muss seine eigenen Energiepotenziale schöpfen und nutzen. Das ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit. Wir können von anderen Ländern nicht eine solidarische fossile und nukleare Energieversorgung einfordern, wenn wir die entsprechenden Technologien im eigenen Land kategorisch ablehnen und unsere Möglichkeiten ungenutzt lassen. Für uns Freie Demokraten ist eines klar: Kein Land darf in Zukunft eine Monopolstellung als Energielieferer besitzen, sodass es nach Belieben substanziellen Einfluss auf die Energiepreise und die Versorgungssicherheit in Deutschland nehmen kann. Bei der zukünftigen Energieversorgungsstrategie Deutschlands muss als drittes Ziel neben der Sicherheit und der Umwelt- und Klimaverträglichkeit die Bezahlbarkeit weiterverfolgt werden. Die Energieversorgung Deutschlands darf nicht von ideologischen Debatten und Wahlkampftaktiken abhängen. Der für Energie zuständige Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz muss jetzt unverzüglich alle für unsere Energieversorgung nötigen Maßnahmen vornehmen, insbesondere mit Blick auf den Gas- und Strompreis.
Wir Freie Demokraten fordern zur Sicherstellung der Energieversorgung im kommenden Winter und darüber hinaus folgende Maßnahmen:

1) Vorübergehender Weiterbetrieb der drei verbleibenden Kernkraftwerke

Die hohen Strompreise belasten Verbraucher und Unternehmen. Einer der Gründe dafür ist die Gas-verstromung. Dabei wird Gas in Strom umgewandelt – Gas, das eigentlich in der Industrie oder zum Heizen benötigt wird. Das treibt die Preise von Gas und Strom. Der vorübergehende Weiterbetrieb der drei verbliebenen deutschen Kernkraftwerke (KKW) über den 31. Dezember 2022 hinaus würde die Gasverstromung reduzieren und einen zentralen Beitrag zur Sicherheit der Stromversorgung liefern. Ein Weiterbetrieb würde nicht nur den Bedarf an knappem Erdgas spürbar senken, sondern auch dämpfend auf die Strompreise wirken. Die Vorkehrungen für den Weiterbetrieb müssen angesichts der sich verschärfenden Stromkrise unverzüglich getroffen werden. Ergibt sich hieraus die Notwendigkeit, weitere Brennelemente anzukaufen, müssen die Bemühungen hierfür kurzfristig einge-leitet werden. Dabei darf es bei den bewährten hohen Sicherheitsanforderungen keine Abstriche geben.

2) Die deutschen Erdgasvorkommen nutzen

Wir brauchen weiterhin Erdgas als eine Übergangsenergie. Mit den bereits beschlossenen LNG-Terminals kann voraussichtlich bereits zum Jahreswechsel 2022/2023 Flüssiggas (LNG) in Deutschland importiert werden. Das verringert unsere Abhängigkeit von den Terminals unserer europäischen Nachbarn. Wir müssen alles daransetzen, schwimmende LNG-Terminals in Wilhelmshaven, Stade und Lubmin an unser Gasnetz anzuschließen und so die Importmengen zu erhöhen. Das Angebot an importiertem Flüssiggas wird auch nach dem zügigen Bau der nötigen Terminals in Deutschland knapp und hochpreisig bleiben. Deshalb wollen wir kurzfristig und für die Absicherung des Übergangs in die klimaneutrale Energieversorgung auch die deutschen Erdgasvorkommen nutzen. Wo sinnvoll und machbar, sollten die Erdgasvorkommen in Deutschland genutzt werden. Die heimische Gasförderung z.B. in der Nordsee kann jedes Jahr mehrere Milliarden Kubikmeter Gas zum deutschen Verbrauch und zur Energiesouveränität Deutschlands beitragen. Grundsätzliche und politisch motivierte Ver-bote der Erschließung von Gas- und Ölfördermöglichkeiten in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und dem Küstenmeer sind abzulehnen, denn sie konterkarieren die vielfältigen Bemühungen zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit. Selbstverständlich müssen individuelle Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt werden, es ist aber auch zum staatlichen Auftrag zu zählen, die Erfüllbarkeit dieser Voraussetzungen aktiv zu unterstützen und zu befördern.

3) Bürokratieabbau und schnelle Planungs- und Genehmigungsverfahren für Erneuerbare Energien

Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen wird maßgeblich zur energiepolitischen Unabhängigkeit Deutschlands beitragen. Dafür müssen wir diese Freiheitsenergien schneller und effizienter ausbauen. Wir haben bereits erste Voraussetzungen für einen schnelleren Ausbau von Erneuerbaren Energien geschaffen. Durch den Abbau von Bürokratie und schnellere Genehmigungsverfahren müssen weitere Hemmnisse abgebaut werden. Als Blaupause müssen hier die schnellen Genehmigungsverfahren für schwimmende LNG-Terminals an der norddeutschen Küste dienen.
Im Bereich der Photovoltaik (PV) wollen wir erhebliche Potenziale zur Stromeinspeisung heben, indem die 70-Prozent-Deckelung für die Leistung von PV-Anlagen nicht erst zum 1. Januar 2023, sondern sofort und sowohl für neue als auch für Bestandsanlagen aufgehoben wird. Zusätzliche Anreize für die Nutzung von PV auf Mehrfamilien- oder großen Einfamilienhäusern können gesetzt werden, wenn die Vereinfachungsregel zur Einkommensteuerveranlagung nicht mehr nur für Anlagen bis zu 10 kWp gelten, sondern diese Grenze erheblich angehoben oder ganz aufgehoben würde. Dies wollen wir prüfen.

4) Wasserstoff konsequenter und schneller zum Einsatz bringen

Doch um einen Beitrag zur verlässlichen Energieversorgung leisten zu können, muss der Strom aus den volatilen Erneuerbaren Energien in großen Mengen speicherfähig sein. Den volatilen Strom aus Sonne und Wind wollen wir verstärkt durch die Erzeugung von Wasserstoff speicherbar und über weite Strecken transportierbar machen. Wasserstoff kann mittelfristig dann auch als Ersatz von Gas dienen – vor allem in der energieintensiven Industrie. Wir wollen die regulatorischen und planungsrechtlichen Hürden für die Wasserstoffproduktion, den Transport und die Verteilung soweit absenken, dass sich eine Wasserstoffwirtschaft diskriminierungsfrei entwickeln kann. Dazu gehört auch, die Forschung um neue Wasserstoff-Technologien und den entsprechenden Transfer aus der Wissen-schaft weiter zu intensivieren. Fest steht: Wir müssen, wie im Koalitionsvertrag verankert, gemeinsam in der Europäischen Union zusammenarbeiten. Wir fordern deshalb die Gründung einer Europäischen Wasserstoffunion.

5) Eine ideologie- und technologieoffene Erforschung neuer Generationen von Kernenergie

Wir Freie Demokraten wollen verstärkt in die Erforschung der Fusionsenergie investieren. Sie ist eine saubere und risikoarme Zukunftstechnologie. Nur Technologieoffenheit bietet einen Innovations-wettbewerb um die effizienteste, emissionsärmste und günstigste Energieversorgung, die uns zudem unabhängig macht. Wir stärken damit auch die technologische Souveränität unseres Landes. In der Kernfusion steckt großes Potenzial. Auch in neuen und sicheren Technologien der Kernspaltung – wie bei Small Modular Reactors (SMR) bzw. Flüssigsalzreaktoren – sehen wir Chancen. Sie könnten mittel- bis langfristig die Erneuerbaren Energien flexibel ergänzen und so eine unabhängige, verlässliche und klimafreundliche Energieversorgung in Deutschland sichern. Auch auf diesem Feld wollen wir die Rahmenbedingungen für Forschung, Entwicklung und Transfer weiter verbessern.